Gesicherter Atomschlag?
Es gibt die konventionelle Überlegenheit von drei 3:1 der NATO gegenüber der russischen Föderation. Die nukleare ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Aber dies sind keine neuen Erkenntnisse.
Um Russland zum "Aufgeben" zu zwingen (in der Intention, die russisch-freundliche Ostukraine wieder unter die Verwaltung von Kiew zu stellen und die Krim der NATO zu überlassen) soll nun die Überlegenheit im Luftkrieg die Wende herbeiführen.
Wie sieht man das in Russland?
Nach Umfragen sind über 90% der Bevölkerung dieses Landes von einer Intervention in der Ukraine überzeugt, von links über die politische Mitte bis rechts. Allenfalls die bolschewikische Linke lehnt die Intervention in der Ukraine ab, weil in dieser lediglich russische Imperialisten gegen amerikanische Imperialisten kämpften, ähnlich der Devise Lenins von 1918, der den Ersten Weltkrieg beendete (das kann man moralisch nachvollziehen, sofern man den kapitalgestützten Imperialismus ablehnt).
Die russische Militär-Doktrin sieht bei einem Angriff auf das Staatsgebiet den Einsatz von Kernwaffen vor.
https://www.unsere-zeit.de/mit-nato-raketen-schneller-zum-atomkrieg-4782794/Aufgrund welcher Begründung sollte der russische Generalstab in der Bevölkerung durchsetzen, auf diesen Einsatz zu verzichten?
Weitere Frage: was würde man selber, etwa als russischer Bürger, empfinden?
Vermutlich würden selbst Familienmütter und Familienväter den Nuklearschlag, in dem Glauben, dass allein dieser Präzedenzfall die Eskalation zum Stoppen bringt, instinktiv begrüßen - denn anders würde eine westliche Einmischung nie enden, würde die Argumentation lauten (eine permanente Intervention, die bereits 1917 durch Frankreich, USA Spanien begonnen hatte und von Ronald Reagan auf die Spitze getrieben wurde). Der begleitende mediale Rummel russischer Staatsmedien ist bereits seit Monaten am Kochen.
Würde eine rebellierende Bevölkerung (tatsächlich gegen Oligarchie, orthodoxe Kirche und gegen Kapitalismus eingestellt?) die Moskauer Zentralregierung nach ersten Raketenschlägen der westlichen Allianz auffordern, sich aus der Ukraine zurückzuziehen, die Krim und schließlich auch den Kreml zu räumen?
Spiegelt das Vorrücken der NATO, die Einmischung Viktoria Nulands (seinerzeit stellvertretende amerikanische Außenministerin) am Majdan und die Intervention von vielen tausend US-Militärberatern seit 14 Jahren nicht die Absicht der US-Administration wieder, die Vorherrschaft in Europa über die verankerte Verfügbarkeit von Frankreich, Deutschland, Polen und der Ukraine zu sichern?
Ist nicht die EU für die US-Wirtschaft gleichermaßen gefährlich wie eine prosperierende russische Wirtschaft - profitiert man nicht latent von der Spaltung beider Blöcke? (Simpler Kapitalismus.)
Weder Russland noch eine andere Grossmacht ist in den letzten Jahrzehnten so nah an das Territorium der etwa der USA herangerückt, wo auch nie Rede von einem Regierung in Washington war (was eine ebenfalls diskutable Überlegung wäre).
Sowohl die teilnehmenden Staaten auf der BRICS-Konferenz in Johannesburg wie auch China können Russland schwerlich fallen lassen, selbst wenn ihnen ein amerikanischer Deal in Aussicht gestellt würde.
Die russische Wirtschaft hatte 2022 ein Wachstum für 1,5 %, Deutschland ein Minuswachstum ähnlicher Größe: der Wirtschaftskrieg gilt für Westeuropa als verloren.
Die Zentralmacht in Moskau könnte also annehmen, dass selbst ein begrenzter Atomkrieg (welcher schwerlich zu kalkulieren ist - aber seit den 70er Jahren träumen die Supermächte von diesen Szenarien, insbesondere Washington) eine Kapitulation abwendet, schockiert auch von strategisch naheliegenden Bündnispartnern.
Dies deutet womöglich darauf hin, dass begrenzte Raketeneinschläge auf russisches Gebiet und die jetzige Lieferung von deutschen Marschflugkörpern die russische Haltung noch weiter verhärten und die eigenen Fehler des Westens bei Sicherheits- und Abrüstungsabkommen der letzten 30 Jahre zum höhepunkt führen, obwohl vielmehr die Rückkehr zum Minsker Abkommen und die sofortige Erklärung der Neutralität der Ukraine eine wirkliche Wende herbeiführen könnte.
Ex-Nato-General Kujat hält einen Sieg in diesem Krieg für ausgeschlossen: Ab 12:10
Für das Staatsgebiet der Ukraine erwartet bspw. Der ehemalige SPD-Bundesminister und Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi ein neues Palästina, welches über Jahrzehnte hinaus zu einem Terrorismus auf beiden Seiten führt, der sich auch auf Westeuropa ausbreiten könnte. Dohnanyi war ebenso wie Kujat an NATO-Manövern beteiligt.
Von Beiden ist nicht anzunehmen, dass sie je Freunde entweder eines roten Russlands oder andererseits eines oligarchisch- kapitalistischen Russlands oder gar eines feudalistisch-klerikanen Russlands waren. Sondern eher nüchtern von der militärischen Sicherheitslage ausgehen aus dem Blickwinkel, wie damals Brandt und Bahr ihn geteilt hätten.
Frau Dr. Puglierin vertritt in dieser Runde dagegen einen einsatzfreundlicheren, aber auch moralisierenderen Standpunkt. Vermutlich glaubt sie sich auf der Achse des Guten.
Der Westen könnte dem entgegen sagen, "wir ziehen unsere Unterstützung am Kriegsgeschehen zurück, wenn Moskau bereit ist, die Neutralität der Rest-Ukraine zu versichern und Uno-Blauhelme zur Überwachung ins Land zu lassen".
Daraufhin würden die Waffen schweigen.
Stattdessen steuert das derzeitige Szenario auf einen point of no return und auf eine Verkettung von Eskalationen zu bis zum nicht mehr verhinderbaren Einsatz von Nuklearwaffen.