Christopher Nolans mysteriöse Reise in die Welt des Schwarzweiss-Films

Begonnen von Filmgärtner, 22.03.22, 19:05

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Filmgärtner

Nolan hatte bereits vor zwei Jahrzehnten einen 35mm-Film in schwarzweiss produziert.
Für OPPENHEIMER (2022) überschlagen sich die Gazetten mit Anpreisung neuer analoger Filmtechnologie, die es nie zuvor gegeben hat.
Jetzt sind es bereits zum ersten Male entwickelte 65mm-Imax-Schwarzweiss-Kameras, die zum Einsatz kämen. Bis sich diese Ente als Abschreibfehler erwiesen hatte: Nein, es sind 65mm-Schwarzweißmaterialien, die innovativ eingeführt werden sollen. Universals Presseabteilung veröffentlichte sehr Überraschendes:

"Oppenheimer" will be shot on a combination of IMAX 65mm and 65mm large-format film photography including, for the first time ever, sections in IMAX black and white analog photography.
Production started in New Mexico in February 2022.


Man darf getrost einmal nachhaken:

- Welche Firma soll verschiedene schwarz-weiß-Filme mit unterschiedlichem Perforationen (zu einem Bell & Howell Perforation, zum anderen Kodak Standard Perforation), zudem noch in so geringer Meteranzahl, extra herstellen?

- An welchem Ort der Welt sollen diese 65mm-Materialien entwickelt werden?

Zumindest im 35mm Bereich gäbe es noch gewisse Möglichkeiten: ein Dreh auf Farbnegativ und die anschließende Kopierung auf panchromatischem separation-Material.
Vom separation-Positiv wird ein Farb-Intermediate gezogen, das für die Serienkopierung der Theaterkopien zum Einsatz kommt.

Zumindest vor 30 Jahren war diese Fertigungsstrecke noch möglich und reproduzierbar.

Wie Nolan seine Erfindung eines neuen Schwarz-weiß-65mm-Formats in den Griff bekommt, erfährt man im Sommer 2023.

Filmgärtner

Starttermine rücken näher, darunter immerhin 25 70 mm-IMAX Kinos (offenbar eine minimale Erhöhung dank des Wiedereinbaus von Anlagen, unter anderem auch im Chinese Theatre in L.A.).
In Europa läuft er in diesem Originalformat im Flora IMAX in Prag und im BFI IMAX in London.

https://www.filmstarts.de/nachrichten/1000027108.html

https://fb.watch/kXmvcXg7ak/

Filmgärtner


Filmgärtner

Derzeit kursieren Debatten, der Besuch des Films hänge ab von der Kinotechnik.

Nicht minder entscheidend aber ist die Aufnahmetechnik, nicht minder die Kopierwerkstechnik!

Ich würde meine Bewertung des Film auch vom Workflow abhängig machen.

Im Moment herrscht gerade hierüber Verwirrung, genährt durch widersprüchliche Angaben der Produktionsfirma.

Die Crux waren bisher die sehr unausgeglichenen Filmkopien: insofern könnte selbst Super-8 auf dem Niveau vor einem Vierteljahrhundert bessere Lichtbestimmungen aufgewiesen haben.



Zentral finde ich folgende Frage: welche Filmabschnitte sind evtl. doch digitalisiert, welche wurden über analoge Intermediates (35mm, 65mm) "umkopiert", gibt es wenigstens auf Imax-Film Abschnitte, die wie bei DARK KNIGHT vom Originalnegativ kopiert wurden, während die damaligen 35 mm Anteile schrecklich ausbelichtet waren?).

Im IMAX Flora in Prag enttäuschte die INTERSTELLAR-Kopie vor 8 Jahren auf allen Ebenen: die Imax-Szenen waren gegenüber den 35 mm gedrehten Szenen nur wenig feinkörniger, beides glich sich leider aneinander an (ähnlich auf der Blu-ray Disc).

Dafür war ausgerechnet die digital ausbelichtete 70mm-Filmkopie TENET die farblich annehmbarste von FotoKem, zugleich aber ging 65mm dort durch das Nadelöhr von 4K (oder 2K? Denn danach sah es auch aus).

Die einfachste und ehrlichste Version könnte hier einmal die 35mm-Version sein: alle 65mm-Aufnahmen auf 35mm Intermedpositiv reduziert (aber natürlich auch nivelliert) und damit farblich am ehesten authentisch replizierbar - theoretisch. Oder gerade diese Fassung wird wieder vollständig ausbelichtet und sieht dann so schwach aus wie ONCE UPON A TIME in Hollywood. Siehe auch HATEFUL 8, über dessen Workflow uns der Filmemacher nicht die ganze Wahrheit sagte.

Filmgärtner

Das zumindest kopierwerkstechnische Debakel (inhaltlich und schauspielerisch ist der Film hochspannend) ist eingetreten.

Keine einzige Schwarz-Weiß-Aufnahme ist in den Filmkopien annähernd in schwarz-weiß zu sehen.

Dies wurde offenbar von der Produktions-Crew nicht vorausgesehen und macht den Dreh auf schwarzweiß vollständig sinnlos, so dass man zunächst besser auf Farbnegativ hätte drehen sollen.


Filmgärtner


Apache Apache

OPPENHEIMER

Aus welchem Grund sind Szenen in schwarzweiss bei diesem Film?

Filmgärtner

Der Regisseur meint, das Dchwarz-weiße solle das Realistische Dokumentarische darstellen.
Für die Anwendung von Farbe führt er das fiktionale Konzept eines Films an, d.h., dass reale Figuren niemals straff naturalistisch und buchstabengetreu in einem Kunstwerk verhandelt werden können, sondern sich der Regisseur Freiheiten, Ausschmückungen oder Interpretationen und zusätzliche Ingredienzien erlauben kann.

Ich finde das nicht unbedingt neu, nicht falsch, aber auch nicht genial.
Diese inszenstorische Entscheidung wird jetzt aber massiv als Geniestreich aufgebauscht, in der Presse oder beim Publikum, als hätte es die letzten 130 Jahre keine Filmgeschichte gegeben?

*

Gelungen, wenn schon von Genialität gesprochen wird, finde ich die Schwarz-weiß-Dzenen in "Die tollkühnen Männern ihre fliegenden Kisten" und vor allem auch in "Star!", wenn man andere 70 mm Filme zitieren darf (die außerdem noch gut aussahen und perfekt kopiert wurden).

Natürlich macht man sich mit solchen Vergleichen unbeliebt...

Apache Apache

Zitat von: DCI sr. am 18.08.23, 02:20Der Regisseur meint, das Schwarz-weiße solle das Realistische Dokumentarische darstellen.

Ach das ist also der Grund.