Im Filmvorführerforum melden sich anlässlich des Home Cinema revivals der ersten deutschen 70mm-Produktion einige Filmvorführer, welche eine sog. Smile-Box-Version befürworteten oder ablehnten.
Mit einer Smilebox-Version, in welcher die Bildgeometrie elektronisch verzehrt wird, um die Wirkung einer tief durch gekrümmten Kinobildwand zu simulieren, soll eine historische Aufführungsweise zitativ wieder aufheben. Angebote für Home Cinema Ausgaben der drei streifig gedrehten Filme "Das war der Wilde Westen", "Das ist Cinerama!", "Vom Nord- zum Südpol", "Die sieben Weltwunder", "Das war der Wilde Westen!", "Die Wunderwelt der Gebrüder Grimm", "Windjammer", "Südseezauber" u.a.
Der Vorführer @Claus Cremers wünscht sich nun eine solche Version für "Flying Clipper", wofür es gute Gründe gibt. Ein anderer Vorführer, @magentacine, stellt sich dem wie folgt entgegen:
>> "Smileboxing" von Filmen, die nicht mit extremen Weitwinkelobjektiven gefilmt wurden, ist technischer Unfug!
WINDJAMMER und HTWWW waren echte Dreistreifenfilme mit einem großen Bildwinkel. Da ergibt die elektronische Entzerrung Sinn, zumal der Bluray-Betrachter ja nicht optisch von der Bildwand umschlossen wird.
Bei FLYING CLIPPER würde man lediglich dauernde unnötige Verzeichnung hinzufügen, ohne einen räumlicheren Eindruck hinzuzugewinnen. Die sehr wenigen Einstellungen mit dem 17,5mm-Weitwinkel rechtfertigen so etwas nicht.
Schwachsinnig ist die Smileboxifikation von SHELLARAMA oder CIRCUS WORLD. Das Aufnahmeformat Technirama kann optisch bedingt (Delrama-Vorsatz) keine extremen Weitwinkelbilder erzeugen, wie es bei Todd-AO oder Super Panavision möglich ist. Daher wird das Bild nur sinnlos verzerrt, wenn man es in Schmetterlingsform verbiegt.
Für echte Dreistreifenfilme - auch das russische Cinerama-Pendant Kinopanorama - ist das Smileboxing eine gute Idee. Für normal aufgenommene Filme nicht. <<
(zit. aus:
https://www.filmvorfuehrer.de/topic/24450-flying-clipper-traumreise-unter-weissen-segeln-1962-trailer/page/5/#comment-355664 )
Dieser Standpunkt wird oft vertreten. Hinsichtlich der real aufgenommenen Formate und eingesetzten Aufnahmeobjektive bleibt der Einwand verständlich, hinsichtlich der Aufführungspraxis aber möchte ich jedoch widersprechen.
"Circus World" war exponiert im Curved Screen-Einsatz auf Cinerama-Leinwänden, und das Cinerama-Logo steht auch im Vorspann.
Kann und soll man kritisieren, aber "Unfug" und "Schwachsinn" wären dafür m.E. etwas unglückliche Begriffe.
Die elektronische Entzerrung auf dem Monitor von "How the West Was won" und "Windjammer" auf der der Blu-ray macht nicht automatisch Sinn. Sie ist eine interessante und begrüßenswerte Simulation. "Korrekt" ist sie deswegen nicht. Das wäre ein Denkfehler. Auch deswegen nicht korrekt, weil der Zuschauer in seinem Blickfeld leider nicht vom Fernseher (!) umschlossen werden kann.
Gerade weil der Zuschauer nicht vom Fernseher umschlossen wird, bleibt die Smilebox-Simulation partiell ein Simulacrum (auch im erweiterten Verständnis von Baudrillard): Smile Box wirkt bei entferntem wie nahem Betrachtungsabstand auf flachem Bildschirm ähnlich verstörend wie das Pendant der flachen Version (der Zuschauer müsste also schon von einer Leinwand umschlungen sein, ähnlich den zeitgenössischen Spielstätten, also etwaige Vorzüge einer Smilebox-Version in der Projektion erfahren, was in Anbetracht unterschiedlicher jedesmal eines individuell angepassten DCPs bedürfte und trotz dieses Wnnäherungsversuchs immer noch weniger Werkgetreue bewerkstelligen würde wie zurzeit der erste Aufführungen in Filmbandoriginalen und in dreistreifiger "Triple"-Projektion).
Dennoch ist man dankbar, dass es zumindest eine Simulation gibt. Und könnte damit ein wenig experimentieren: bei "Flying Clipper" eignen sich eventuell die Fugaufnahmen, Rennfahrer-Szenen oder die Jet-Starts und Landungen.
Warum verbietet sich "Flying Clipper" ausdrücklich nicht für eine curved screen-Position respektive ein Derivat für die smilebox-Version?
Auch "Flying Clipper" erfuhr beim US-Statt (unter dem Titel "Mediterranien Holiday") auf ausdrücklichen Wunsch der Produzenten mit "Cinevision" eine curved screen-Präsentation. Eine weitere curved screen-Variante kam mit "Arc-120", dem sog. "Wonderama"-Verfahren in Umlauf, auch wenn einigw dies ad post in der Szenenanalyse der einzelnen Filme als "schwachsinnig" erachten.
"Flying Clipper" als Paradebeispiel für eine völlige ungeeignete curved screen-Projektion heranzuziehen wendet sich am Ende gegen jegliche curved Screen-Projektion, was als Debatte ebenfalls bereits vor 60 Jahren anhängig ist. In einer Epoche aber, in welcher mehrheitlich besagte Filme auf curved screens projiziert wurden und sich physiologisch eingeprägt haben, möchte man dennoch nachempfinden, was Zuschauer in einigen Premieren-Häusern erfahren konnten.
Vorausschickend weist die 65 mm M.C.S. 70-Produktion "Flyung Clipper" keine derart starken Weitwinkelaufnahmen wie die "CineMiracle"-Produktion "Windjammer" auf, die als Initialzündung für diese westdeutsche Produktion galt.
Bei den 3-Streifen-Filmen ergeben sich durch die festgelegte Brennweite und den stärksten Weitwinkel auch die stärkeren Argumente für curved screen/smile box.
Dem Home Cinema-Zuschauer soll nun ein ähnliches Panorama-Erlebnis suggeriert werden. "Gut" aber sind auch Smile-Box- Versionen ehemaliger 3-Streifen-Produktion noch lange nicht. Auffallend geometrisch verfälscht war stets die Flachversion von "Das war der wilde Westen!" ist, aber die Smile-Box-Version ist es ebenfalls: did English eine Simulation auf einem Flachbildschirm, vor welchem noch nicht einmal das Blickfeld gefüllt ist, allenfalls eine Autosuggestion.
Die persönliche Entscheidung dann, sich etwas, was nicht korrekt ist, zuzumuten, hängt vermutlich davon ab, ob man Freude am Umformen oder an der Neuinterpretation oder auch an einer behaupteten authentischen Simulation eines Kunstwerks zur Zeit seiner Entstehung oder anderenfalls auch an einer Überhöhung hat.
Das haben auch Leute in der Malerei und Musik gemacht, dort stößt Kreativität auf auf geringere Einwände als im Forum der Projektionsfetischisten.
Wir müssen davon ausgehen, dass "Flying Clipper" neben anderen Titeln zu seiner Zeit auf etlichen curved screens zu sehen war. Dass auch kein Wunsch des Produzenten oder Kameramanns vorliegt, ihn explizit auf einer flachen Leinwand zu projizieren (auf welcher ich ihn ebenfalls ein Dutzend Mal gesehen habe).
Macht es überhaupt Sinn, eine spezielle Wirkung zu erzielen, ist sie effekthascherisch, oder steigert sie eine immersive Partizipation?
Wie reagiert das periphere Sehen bei Fahrtaufnahmen bei einer curved screen-Darbietung?
Wie bei gewollten oder ungewollten Effekten von Weltraum-Szenen oder Ozean Aufnahmen?
Nicht nur entscheidet ein adäquater Bildwinkel oder die richtige Brennweite, sondern auch eine subjektive Meinung über Dramaturgie. Und am Ende ein Vortrag über die verwendeten Aufnahmeobjektive, Bildwinkel, seelischen Absichten oder die Wahrnehmung des Kameramanns.
Eventuell eventuell könnten einige Flugaufnahmen in "Flying Clipper" und auch die Rennfahrer-Szene experimentell für eine Smile-Box-Version interessant sein. Strittig, aber nicht uninteressant, wären auch Bewegungen des Clippers auf offener See, etwa von der linken zur rechten Bildewandflanke, das Starten und Landen der Kampfjäger u.a. Am schlechtesten gelängen vermutlich die an Bord spielenden Szenen oder unterdeck gemachten Aufnahmen, die auf curved screen zwanghaft herausgelöst und auschnittartig wirken, was bereits Projektion mit der originalen 70mm-Kopie offenkundig werden liessen.
Nach fast gleichen Maßstäben sind dann 70mm-Filme wie "Grand Prix", "2001: Odyssee im Weltraum" oder "Tschitti Tschitti Bäng Bäng" hinsichtlich ihrer curved screen-Perspektive abzuklopfen.