HDF-Bewertung des Kinojahrs 2021

Begonnen von Filmgärtner, 23.01.22, 15:40

ᐊ vorheriges - nächstes ᐅ

Filmgärtner

23.01.22, 15:40 Letzte Bearbeitung: 04.02.22, 16:51 von Admin
In seinen Veröffentlichungen berichtet der Hauptverband Deutscher Filmtheater, HDF, eine zuversichtliche Entwicklung der letzten 6 Monate der seit Mitte 2021 wieder geöffneten Kinos, nach denen immerhin 8 Titel die Millionenmarke geknackt hätten und zuvorderst "Spider Man" so wie James Bond - no time to die" sogar die 3 Millionen Marke erreichten (ausgezeichnet vom HDF mit der Goldenen Leinwand bzw. mit der Goldenen Leinwand mit Stern).

Noch keine Aussagen wurden über das mittlere Segment getätigt, das kontinuierlich die Leinwände versorgt und dauerhaft essentiell bleibt, aber in den letzten Jahren immer mehr zusammen schmolz.

Der Zuversicht hinzugefügt ist aber auch das Fazit, dass 2021 gegenüber dem noch regulären Kinojahr 2019 einen Umsatzrückgang von 63% zu verzeichnen hatte.
Das mag zwar durch die Überbrückungszahlungen aufgewogen worden sein, steht aber in keinem Verhältnis zur Krise im Einzelhandel, welcher trotz temporärer oder dauerhafte Schließungen immerhin noch über das online-Geschäft am Ende sogar ein Plus aufzuweisen hatte.

Kino ist aber nicht in erster Linie ein online-Geschäft. Und dann in der Exegese eindeutig mit am schwersten von den Folgen der Maßnahmenpolitik betroffen.

Dabei ist noch nicht abzusehen, inwiefern der nicht unendlich teilbare Kuchen doch zur stärkeren Abwanderung von Teilen der bisherigen Klientels zu den streaming Angeboten gewechselt ist.

So scheint es noch verfrüht, sich über die Goldene Leinwand zu freuen, denn hier handelt es sich auch um ein Phänomen, nach langen Durststrecken wieder einen Blockbuster in einem Filmtheater gesehen zu haben - aber es ist damit noch nicht gesagt, ob dieser Boom anhält oder überhaupt als solcher zu betrachten ist.

Thomas

24.01.22, 18:31 #1 Letzte Bearbeitung: 24.01.22, 18:52 von Thomas
In meinen Augen, haben der HDF sowie die AG- Kino die hier in den letzten zwei Jahren als Verbände, die Interessen Ihrer Mitglieder vertreten sollen, von Anfang der Krise im März 2020 bis heute, völlig versagt.

Spätestens mit dem zweiten Lockdown im Herbst 2020 hätten uns die Verbände auf die Straßen treiben sollen.

Stattdessen liefen die Filmtheaterverbände, in den letzten knapp 22 Monaten im Gleichschritt mit den aufgelegten Maßnahmen der Regierung.

Anstatt, die ohnehin ,,angeschlagenen" Kinounternehmen, zu entlasten und für eine Befreiung der Maßnahmen in den Kinos zu sorgen, gingen viele Hygiene Corona- Forderungen der Verbände weit über die in der Corona Verordnung angegeben ,,Regeln" hinaus.

Ähnliches Berichten mir aber auch bereits Gastronomen von Ihrem Gastronomie- Verband DEHOGA.

Eine solche ,,Regierungstreue" scheint also hier auch keine Seltenheit zu sein.

Damit tragen auch die Verbände seit Monaten eine Mitschuld an der Spaltung der Gesellschaft.

Aus diesem Grund wundert es mich auch nicht, dass hier der HDF sehr beschönigend über Erfolge einzelner Blockbuster spricht, obwohl die Zahlen mehr als erschreckend sind, eben im Vergleich zum regulären Kinojahr 2019!

Dies war auch schon deutlich in 2020 zu sehen mit einem Umsatzrückganz von knapp 70% im Vergleich zum Vorjahr 2019!

Filmgärtner

25.01.22, 02:04 #2 Letzte Bearbeitung: 25.01.22, 10:10 von Admin
Die Stellungnahme der AG-Kino sieht ähnlich aus, hebt "Nomadland", "Der Rausch" und "Dune" hervor als Sensationserfolge seit der Wiedereröffnung im Juli 2021, um danach erneute Restriktionen ähnlich dem HDF zu bedauern:

Wie schon in den vergangenen Jahren, zeigte sich auch 2021 wieder die große Bedeutung der Arthouse-Kinos für deutsche und europäische Produktionen – und damit für die Präsenz von kulturell wertvollen Filmen abseits des Mainstreams. Insgesamt sind neun deutsche Produktionen unter den Top 20 vertreten, weitere vier Filme kommen aus dem europäischen Ausland. Auch die Top 100 werden von deutschen und europäischen Titeln dominiert – 31 deutsche Filme und 43 weitere europäische Werke stehen 16 US-amerikanischen Produktionen gegenüber. Insgesamt haben die Mitglieder der AG Kino einen Besuchermarktanteil von rund 68 Prozent bei europäischen Filmen. https://www.agkino.de/nomadland-der-rausch-dune-grossartige-festivalfilme-fuehren-die-arthouse-charts-an/


Grundsätzlich werden die Maßnahmen zur "Eindämmung der Corona Pandemie" nur im Hickhack um Abstandsregel und Maskenpflicht, de facto um die Auslastung der Säle, erörtert, jedoch unzureichend politisiert.
Der gesellschaftliche Konsens schien klar: außergewöhnlich schwerwiegende gesundheitliche Gefahren für Leib und Leben könnten nur durch Dekrete eingedämmt werden - wer nicht mitmacht oder die Methode hinterfragt, macht sich womöglich mitschuldig an todbringenden Erkrankungen anderer und auch seiner selbst, so dass auch die relativ frühe TU-Studie zu vergleichsweise sehr niedrigen Ansteckungsgefahren in Filmtheaterveranstaltungen zwar zitiert wurde, aber im politischen Tagesgeschäft wirkungslos blieb.

Das Recht auf Kommunikation, sozialen Austausch, auf Ausübung eines Kleingewerbes und auf Kulturleben zu streiten, wurde im gegenseitigen Einvernehmen zurückgestellt, zumal auch die Politik durch Ausgleichszahlungen und Überbrückungsgelder zu verhindern suchte, dass das Aushängeschild der Nation, die Kulturbranche, sich über Nacht verabschiedet.

Schon oft in der Geschichte war das, was "gut gemeint" war, etwa gemeinsam stillzuhalten, kein vorwärtsweisender, geschweige denn zukunftssichernder Ansatz: Paradoxien werden derweilen in die Schublade verbannt; Protest ist völlig tabu, welcher nur als Blockade für gesundheitspolitische Maßnahmen oder als Revival rechtsextremistischer Sehnsüchte umschrieben wird.

Immer klarer aber wird nach 2 Jahren Eindämmungmaßnahmen, dass es möglicherweise keine erfolgreiche Strategie, sondern lediglich einen Zickzackkurs, Aktionismus und asymmetrische Eindämmungsmaßnahmen gegeben hat.

Schon in den Vorjahren beklagte man die Verkürzung der Auswertungsfenster für die Filmerstauswertung im Filmtheater. Das quasi nun und über Nacht das streaming einige Dämme brechen ließ, führte ebensowenig zu Protesten: man glaubte nach unbeschränkter Wiedererõffnung der Betriebe dieses temporäre Symptom einfach vom Tisch wischen zu können:
Womöglich ein Irrtum.

Thomas

Ehrlich gesagt, kann ich da mit den Verbänden nach über zwei Jahren kein Mitleid mehr haben.

Nach mehr als mehr als zwei Jahre Plandemie (nein, kein Schreibfehler) ist alles  mehr als offen kommuniziert worden. Der Corona- Ausschuss um Dr. Reiner Fuellmich hat hunderte Experten in mehr als 89 Sitzungen mit mehr als 30.000 Minuten Videomaterial zu Wort kommen lassen.

Offiziell ist die Epidemische Lage seit Ende November 2021 beendet worden.
Dennoch passiert auf Seiten der Verbände gar nix. Studien für Kinos liegen ebenfalls seit Monaten vor. Dennoch interessiert es niemanden.

Die FFA Zahlen zeigen diese Tatsache und die seit zwei Jahren bestehenden Umstände deutlich.

Ich hab mal am vergangen Wochenende die Kino Halbjahres Zahlen bei der FFA angesehen. Dort wird der Januar bis Juni der Jahre 2019 / 2020  sowie 2021 verglichen.

2019 gab es einen Halbjahresumsatz (Januar bis Juni) von 461,5 Millionen Euro für alle Kinos in Deutschland.

2021 gab es nur noch einen Halbjahresumsatz (Januar bis Juni) von 6,4 Millionen Euro.

Dies ist eine Reduktion der Kinoumsätze aller Kinos in Deutschland von mehr als 98% Verlust. 🙈 Unglaublich 😥

Das zeigt deutlich wie die C Maßnahmen die Kinos schädigen und bedingt durch das ,,mit laufen" der Verbände diese Fakten seit zwei Jahren hinnehmen.   

2020 lag der Halbjahresumsatz noch bei immerhin 220 Millionen Euro. Und das auch nur, weil die ersten drei Monate bis März in allen Kinos normaler Kinobetrieb möglich war.

Filmgärtner

04.02.22, 15:24 #4 Letzte Bearbeitung: 04.02.22, 15:26 von Admin
Es regiert nun eine verzweifelte Abhängigkeit von Überbrückungsgeldern und Öffnungsgenehmigungen.

Eine Mehrheit der Bevölkerung, das wird kolportiert, soll für die Corona-Einschränkungsmaßnahmen sein (für einige oder für alle?),heißt es lapidar.

Einspruch zu entweder einzelnen (erst recht zu allen) Massnahmen hätte den Eindruck entstehen lassen können, eine eiskalte und egoistische Kino-Branche liefe  Sturm (womöglich der Vergleich mit dem "Volkssturm" käme noch auf, da wir ja inmitten von Verbalentgleisungen gefangen sind) gegen lebensrettende und humanitäre Anordnungen der jeweiligen Regierung.
Vielleicht war es die Furcht, man hätte sich damit als Branche noch unbeliebter gemacht?

Es scheint aber unausweichlich, dass die Branchenverbände im Nachhinein Fragestellungen auf die Agenda setzen müssen: "Haben wir alles richtig gemacht? Inwiefern haben wir uns durch Einwilligung langfristig abgewertet, ohne es erkannt zu haben? Hätten wir unter Berufung auf die TU Studie das Risiko einer unerlaubten Öffnung wagen müssen?"

Vielleicht kommt es zu dieser Aufbereitung.
Vielleicht aber auch obsiegt Euphorie über die Öffnungsorgie, und zahlreiche Neustarts täuschen darüber hinweg, dass im Hintergrund eine Erosion der Kinobranche hinsichtlich seiner Alleinstellungsmerkmale und Wertigkeit immer rasanter vonstatten geht.

Der Verdacht liegt nahe, dass die Maßnahmen möglicherweise erfolglos, selbstzerstörerisch und fahrlässig gewesen sind. Und daß wir mit diesem politischen Vorfall auch in der Zukunft dem Chaos Tür und Tor geöffnet haben.

Filmgärtner

Kündigt sich jetzt durch Aufhebung fast aller Corona-Maßnahmen die Wende an?
Bereits Anfang des Jahres 2022 wurde konstatiert, die Zahl der Ticketverkäufe sei gegenüber 2019 um ein Drittel zurückgegangen. Die HDF-Vorsitzende Christine Berg kritisierte zudem die 2G plus-Regel als "Lockdown durch die Hintertür":

https://de.statista.com/infografik/13112/anzahl-der-kinobesucher-und-kino-umsatz-in-deutschland/

Filmgärtner

10.04.22, 20:42 #6 Letzte Bearbeitung: 11.04.22, 13:13 von DCI sr.
Der Schrecken im Rückblick auf das Jahr 2021 wird auch nicht durch die Aufhebung der Maßnahmen im Frühjahr 2022 abgedämpft, wie Frau Closmann aus Marburg konstatiert.

Zwei Filme hätten 20 % der Gesamtbesucherzahlen generiert: "No time to die" und "Spiderman - No way home": zusammen 8.5 Mio. Besucher.

Trotz der Hinweise auf Änderung der Konsumgewohnheiten und Etablierung häuslicher Rezeptionsmedien fehlt es auch in diesem Artikel nach wie vor an erhärtbaren Daten und Thesen, um tatsächlich einen unumkehrbaren Trend ausmachen zu können:

https://m.op-marburg.de/Marburg/Corona-verschaerft-Kino-Krise