70mm-Qualitäten und Verwerfungen

Begonnen von Filmgärtner, 23.01.22, 17:40

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Filmgärtner

23.01.22, 17:40 Letzte Bearbeitung: 15.06.24, 10:59 von Filmgärtner
Es beginnt mit einem Revival eines Films, der in akzeptabler Qualität nicht mehr wieder verfügbar ist. Ein Zuschauerbericht aus dem Filmvorführer-Forum:

"Ich habe mir am letzten Sonntag mal die digitale Version von Ben Hur in der Astor Filmlounge Berlin angesehen, (...)

Der Vorredner stellte den "im prachtvollen Cinemascope gedrehten Film" als die größte Herausforderung für das Kino, im Rahmen der diesjährigen Klassikreihe vor. Das war es dann auch. Wo es früher den Filmriss gab gibt es heute den Filmstopp. Das geschah, als der Ton in Englisch begann. Beim zweiten Stop entschuldigte man sich und erklärte, daß der Anfang vermutlich nie synchronisiert wurde, es aber definitiv die deutsche Fassung wäre. Der Film lief weiter, die Stimmung nach perfekt vorgeführter Overtüre leider dahin. Als man bemerkte, daß es auch nach dem Vorspann in Englisch weiterging wurde nochmal unterbrochen. (...)

Der Film war hier nicht so scharf, wie Zuhause am Beamer, aber immerhin besser als UP70mm H8 im Zoopalast. Die Farben waren meist etwas blasser und die dunkleren Momente - alles "Schwarze" im Bild waren katastrophal. In der zweiten Hälfte konnte man zumindest die Knackigkeit eines 70mm Films erahnen. Der Ton war OK mit gelegentlich etwas klirren in den Höhen. UP70 Effekt war natürlich keiner vorhanden, wegen schwarzer (bzw. grauer) Balken oben und unten. Der Kasch hätte von unten her auch nicht funktioniert, weil dann wohl, um die hier vorhandene starke Krümmung des unteren Bildrandes auszugleichen, ziemlich viel vom schmaleren Bild hätte weggenommen werden müssen.

Wer den Vergleich zu 70 und 35mm nicht kennt, wie mein Begleiter, fand die Bildqualität ziemlich gut. Für mich hat es sich nicht gelohnt, da ich Zuhause am Beamer die Farben und Schärfe noch etwas besser optimieren kann."

Sioux Indy

Von welcher Marke ist dein Beamer?

Filmgärtner

21.02.22, 01:11 #2 Letzte Bearbeitung: 21.02.22, 01:13 von Admin
Aktuelle Definition einer analogen Filmvorführung seitens desselben Betreibers, allerdings auf eine Kopie von "Tod auf dem Nil" im benachbarten Zoo Palast bezogen:


"Damit Sie etwas über die Technik und der Kopie erfahren, haben wir hier die wichtigsten Unterschiede zur digitalen Projektion für Sie zusammengefasst:

Mehr Farbvielfalt und Farbtiefe, da die Chemie auf dem analogen Film mehr Farben abbilden kann.
Das Bild ist besser gezeichnet, unterschiedliche Schwarztöne werden besser abgebildet.
Das analoge Bild ist weicher.
Die Fläche und damit die Möglichkeiten der Detailabbildung sind fast dreimal so groß wie bei einem analogen 35mm Film - die Projektion nähert sich an 4K digital an.
Natürlich haben sich die Sehgewohnheiten durch die digitale Projektion verändert, trotz der Qualitäten einer 70mm-Kopie gibt es deutliche Unterschiede zur digitalen Projektion. Wie Vinyl erlebt deshalb diese Art der analogen Projektion auch ein Revival in der Filmproduktion."

Die Erläuterungen angeblich typischer Filmeigenschaften stimmen hier nicht mit der Realität überein.
Was womöglich gut gemeint ist, greift zu kurz, wenn die Umstände der heutigen Filmkopierungen dabei nicht berücksichtigt werden, welche ebenso vom Gegenteil zeugen können.

Filmgärtner

20.03.24, 00:33 #3 Letzte Bearbeitung: 15.06.24, 10:58 von Filmgärtner
Ein US-Artikel, wieder aus der Sicht der Projektionisten berichtend.
Auf die tatsächlichen Vorzüge der Filme selbst möglicherweise für den Betrachter wird natürlich nicht eingegangen.

Man gewinnt den Eindruck, es wird die ganze Sache nur noch wegen der Eintrittsgeld zahlenden Filmvorführer aufrecht erhalten.

Also geht es in diesem Report wieder um die skills der Projektionisten, wobei sich wieder David Kornfeld stark hevortut und auch wichtig tut.
Für ihn scheint ausschließlich von Relevanz zu sein der Akt der Vorführung, eine ernsthafte Filmkopienanalyse hat er noch nie zustande gebracht: prototypisch für die gesamte Branche.

https://www.wgbh.org/culture/2024-03-07/the-magic-of-70mm-film-according-to-somerville-theatres-projectionists?fbclid=IwAR2ZHLZlmxTKaAmWYFvrEaV7j3w7JR85qow23Oo1D_JUuANVOzy7UAUMtK8

Filmgärtner

Alle Titel der Universal, United Artists und Metro Goldwyn Mayer flossen ein in den Verleih CIC.

Dieser kopierte seine Marke auch auf 70 mm, die Musik komponierte Jerry Goldsmith.

Sie wurde auch eingeschnitten in frühere Theaterkopien von "Erdbeben" und "2001", dann leider wieder herausgeschnitten:


Apache Apache

Also ich sah bis heute nie dieses Verleihzeichen bei einer siebziger Filmkopie. Aber bei diesem Film war es ganz bestimmt vor dem Hauptfilm als Verleihzeichen.

The Island ( 1980 )

Filmgärtner

14.06.24, 13:14 #6 Letzte Bearbeitung: 14.06.24, 13:33 von Filmgärtner
Nun ausführlicher über das Originalnegativ von "North bei Northwest".
Schon vor anderthalb Jahrzehnten konnte man auf der Blu Ray Disc erkennen, dass offenbar eine farbliche Veränderung und Alterung stattgefunden haben muss.
Ob es aber immer richtig ist, bei der aktuellen Lichtbestimmung an einer damaligen Technicolor-kopitzeorientieren, deren Farben fast immer anders waren als die einer vorzuziehenden Eastwand-Color Kopie (im Neuzustand), sei dahingestellt.

Zit.:

Warner Bros. scanned the negative at 13K, with each half of the VistaVision frame scanned at 6.5K and stitched together digitally. According to colorist Sheri Eisenberg, that led to some unique issues. "With VistaVision, two frames make up the one image, and you get what I call Vista flicker," Eisenberg told IndieWire. "You have each frame aging in its own way, so you can get a little bit of flicker across the two frames. Then you add the fact that this is really a special effects movie — there are layers of opticals and practicals and artwork mixed in with live action. All of these different elements had faded differently in different ways."

https://www.indiewire.com/features/craft/hitchcock-north-by-northwest-70mm-restoration-vistavision-1235014792/?fbclid=IwZXh0bgNhZW0CMTEAAR2J6ZCYffH5Bvw5H6NqlsTfb7V1N462FIEqv4DTRAII65fJOx2YU7MnPw4_aem_AT6BU7Rq-B6vXxepzTVeI7hEdjOB19XUrEC8e7QvnrUj24K_TlCqcN44lhIjetjkGFVjzo6gDAMeRP67WFKUrkzQ

Filmgärtner

Hinsichtlich THE SEARCHERS ein Augenzeugenbericht auf in70mm.com, Berichte, die man auch recht offenherzig abdruckt.
Fast immer die Eindrücke vom Projektionisten, niemals aber von professionellen Coloristen/Lichtbestimmern/Kopierwerksmitarbeitern.

In diesem Falle von jemanden, der den Film zuvor das letzte Mal auf VHS gesehen hat (also nicht einmal mit einer 35 mm Technicolor Kopie vergleicht oder mit einer Blu-ray Disc oder DVD).

Er schwärmt von der Restaurierung, erkennt aber auch eine gewisse Unterbelichtung und auch eine Weichheit oder gewisse Unschärfe gegenüber der 70mm-Restaurierung von Vertigo 1997.
Wenn das schon der Fall sein soll, dann kann man nur von einem Scheitern der Restaurierung sprechen.
Wenn der Augenzeuge dann seinen Bericht schließt mit dem Postulat, Kopierwerk und Company verdienten hierfür den Oscar, ist das Ausmaß an Unbedarftheit nicht zu überbieten.

https://www.in70mm.com/presents/1954_vistavision/1956_searchers/review/index.htm

Apache Apache

14.06.24, 23:13 #8 Letzte Bearbeitung: 15.06.24, 10:35 von Filmgärtner
VERTIGO UHD BD 4K

Hat dieser Film hat ein gelungenes Bild und hast Du den schon in Deiner Sammlung?

Filmgärtner

15.06.24, 10:38 #9 Letzte Bearbeitung: 15.06.24, 11:04 von Filmgärtner
Zumeist schaue ich die Silberscheiben bei Kollegen - eigene Sammlungen wollte ich nicht anlegen.

Die Blu ray von "Vertigo" ist schon beachtlich, allerdings sind die anderen VistaVision-Titel, z.B."White Christmas" oder "To Catch a Thief" qualitativ noch besser und authentischer.

Apache Apache

Also ich meine hier aber nicht die normale Disc.

Filmgärtner

UHD nicht gesehen - und wegen oft verzerrendem HDR derzeit kein Anhänger des Formats.

Apache Apache

UHD BD 4K

Besser als diese analoge siebziger Filmkopie auf Polyester und damals gesehen im Residenz in der so bekannten Domstadt.

Filmgärtner

Gestern um 09:24 #13 Letzte Bearbeitung: Gestern um 10:39 von Filmgärtner
Das ist ein interessanter, kritischer Hinweis (in den Projektionistenforen div. Länder offenbar irrelevant, Hauptsache es "knistert").

Schon die Blu Ray fand ich in Schärfe und Farbe überraschend gut. Zwei Jahre zuvor hatten wir eine (von irgendwann mehreren) 70mm-Kopie (im Centrum Panorama Varnsdorf) eingesetzt, und sie gefiel mir nicht mehr: bräunlich im Dup verfärbt und überraschend grobkörnig.

Allerdings:
die erste Show in Dtld., d.h. im Februar 1997 im Zoo Palast/Berlinale, offerierte eine viel bessere Kopie (mit kleinen Abstrichen): farblich besser, schärfer und feinkörniger, besserer Bildstand.
Dies geschah kurz nach der US-Premiere/Festivals, aber man mußte bereits im Februar 1997 auf der Berlinale die zu offerierende Version aus zwei US-Kopien zusammenstellen.
Nachvollziehbar, dass die Verfügbarkeit einer wirklich guten Kopie sich danach nicht verbesserte.
Auch sah die Berlinale-Kopie zu 98% aus wie vom Originalnegativ direkt kopiert (was aber auszuschließen ist, da die angeblich gefadeten opticals/Überblendungen ja bereits anderweitig gewonnen und umkopiert werden mußte).

Insgesamt aber befand sich 1996 das Originalnegativ von "Vertigo" völlig entgegen den Verlautbarungen noch zu etwa 98% in der Dichte und Farbbalance gutem Zustand, ist zu betonen (dies trifft nun, wir haben 2024, auf die jüngst bearbeiteten Originalnegative von "The Searchers" und "North by Northwest" leider nicht mehr zu: die Restaurierungen kommen evtl. um 30 Jahre zu spät.
Das könnte (ferndiagnostisch legitim) bedeuten: die Ergebnisse könnten leider hinter "Vertigo" zurückliegen - zumindest auf 70mm, evtl. aber auch in den kommenden Blu rays/HDR UHDs.

Filmgärtner

Die "einzige und beste" fotochemische Kopie dürfte Restaurator Harris privat besitzen: nicht 70mm, aber horizontal laufender VistaVision Film über den Schaltschritt von 8 Perforationen.
Vielleicht aber auch nur eine Testkopie, noch unzureichend lichtbestimmt/korrogiert, und die erwähnten opticals wie auch die zu dunkle/absaufende Turmsene am Ende könnten als Mangel erkennbar sein, da diese Version nur als als Vorstufe der endgültigen Restaurierung in 1997 gelten kann.
Aber mit Sicherheit mit der besten Schärfe/Auflösung, die man von "Vertigo" je sah.
Selbst Hitchcock hatte nur auf 4 perf verkleinerte Dailies gesehen, kaum aber ein Vorstellung vom Potential des Originalnegativs.

https://www.hometheaterforum.com/community/threads/restored-the-searchers-in-70mm.382441/