Chaosmarketing und Farbfilmanalyse

Begonnen von Filmgärtner, 08.01.23, 20:37

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Filmgärtner

08.01.23, 20:37 Letzte Bearbeitung: 08.01.23, 23:02 von DCI sr.
Seit dem fast völligen Versiegen der Filmkopierwerke und Herstellung klassischer Filmkopien (perforierter Filmrollen) sind Film, Revivals und Nostalgie nach wie vor nicht totzukriegen.
Was einstmals Gegenstand im wirtschaftlichen Wettbewerb und Warentausch war, Anlass für Standardisierung und Professionalisierung mit auch kalt-merkantilistischen Interessen, ist seit dem 2010er Jahren in unterschiedlichste Hände gefallen.

Hierzu gehören zunächst die Nachlassverwalter der Produktionsfirmen, die privaten und öffentlichen Archive, aber eben auch einige Universitätsseminare, Digitalisierungsfirmen, Kinoromantiker, Home Cinema-Publikationen, filmliebende Projektionisten in Programmkinos, traditionsverpflichtete kommunale oder museale Kinos, Internetcommunities, Film-Feuilettons und mehr oder weniger zertifizierte Marketing-Gurus.

Die Interessen und Bedürfnisse pendeln dabei zwischen ernsthaften oder verzweifelten Aufarbeitungsversuchen, spielerischem und frei-kreativem Umgang mit den found footages, Strategievorschlägen zur Digitalisierung des analogen Filmerbes, Workshops für Kinder und Schulen, mehr oder weniger seriösen Restaurierungsreportagen, mehr oder weniger begründetem oder ernstzunehmendem Repertoire-Abspiel von 35 mm- oder 70 mm-Filmen, ambitionierten Projekten einzelner Film- oder Kinotechniker oder auch bar jeglicher Vernunft und Skrupel operierender (Selbst-)Vermarktungsstrategen.

Über allem schwebt wie ein Damokles-Schwert das Wegbrechen der ("wozu ist etwas relativ?") Bezugssysteme, Kenntnisse über Farbabstimmungen und Bestimmungen sowie Tonmischungen in früheren Filmwerken, Wegbrechen der einstigen Reproduktionsbetriebe und ihrer Fachleute und rechtzeitigen Absicherungen und Reaktionen der Archive auf die "Zeit danach" (die Zeit nach Wegfall der analogen Filmproduktion und verlässlichen Rekonstruktionsmöglichkeiten ihrer einstigen technologischen Prozesse).

Einige Beispiele für seriöse Herangehensweise aber auch Irrungen und Wirrungen des Marketings sind im Nachstehenden erörtert.


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Eine besonders skurrile Erscheinung sind die Internetplattformen "color palettes".
Auf ihnen werden aufgrund einzelner Video Captures angeblich repräsentative Farbtafeln destilliert, die den Anschein erwecken, als läge die Bildgestaltung einer mathematischen Konstruktion zugrunde, oder es könnte mit Mathematik ein Prinzip der Filmemacher in Komposition von Farbe, Licht und Schatten wie ein Genom ermittelt werden.

Die Irrlichter in der modernen IT- und Digitalgesellschaft könnten kaum fantastischer sein, steht doch von Anfang an fest, daß der Drang nach Verstehen von Film in einem jeglicher Bezüge beraubtem Würfelspiel endete (nachzuweisen anhand der Videocaptures zu den Filmen "James" und "Taxi Driver" - viel zu hell und auch neuzeitlich neutral abgestimmt -, oder "Shining" - dunkel absaufend und zu warm abgestimmt.

Als einzige Referenz gilt die Nicht-Referenz: Es wird hingenommen, was auf den Tisch kommt, allerdings nichts angezweifelt oder hinterfragt:

https://digitalsynopsis.com/design/cinema-palettes-famous-movie-colors/