Neueste Beiträge

#1
In den letzten zwei Jahren habe ich öfters die Aussage gehört, dass Kinos Jahrmarkt seien.

Ursprung ist, dass irgendjemand bei irgendeiner Veranstaltung das behauptet hat und nun lesefähige Leute auf diese Behauptung aufspringen.

Letztes Beispiel hier:Kino ist Jahrmarkt

Ich finde diese Aussage völlig an den Haaren herbeigezogen - sag ich eben: Theater ist Jahrmarkt, Oper ist Jahrmarkt (Beweis:Cyrano von Bergerac).

Was hab ich an Hochkultur vergessen, was nicht Jahrmarkt ist?
Ah, Musik.
#2
Festivalleiter Gass erhält die Cramer-Medaille der Deutsch-israelischen Gesellschaft für seine Beharrlichkeit, einem Boykott-Aufruf einiger Filmemacher und Kulturträger, welche ihm ein zu einseitiges Israel-Bekenntnis vorwerfen, widerstanden zu haben.
Dabei wird die derzeitige Solidarisierung mit den Palästinensern als "Blase" bezeichnet, die doch immer wieder nur Antisemitismus zur Folge habe.

Die Argumentation ließe sich natürlich umdrehen, dass etwa eine Waffenlieferung an die Netanjahu-Regierung den Antisemitismus ebenfalls nicht abbaut, geschweige denn die Palästinenser zur Ruhe bringt.
Einigen Journalisten wiederum, welche sich verstärkt über das Leid in Gaza beklagten, von einem direkten Kriegsverbrechen sprachen, erhielten daraufhin keine vorauseilenden Einladungen der Oberhausener Festivalleitung mehr (sie können sich selbstverständlich als Journalisten noch immer akkreditieren, allerdings kostenpflichtig).

https://www.waz.de/staedte/oberhausen/article242209400/Israel-Konflikt-Hohe-Auszeichnung-fuer-Kurzfilmtage-Leiter.html
#3
UNBEKANNTE SEITEN VON KLASSIKERN / La Chinoise (1967)
Letzter Beitrag von Filmgärtner - Heute um 17:58
Der Agitprop-Film von Jean Luc Godard nahm ein Jahr vor den Mai-Revolten von 1968 in Paris die Studentenbewegung vorweg und stellte sich unmissverständlich politisch auf die Seite der chinesischen Kulturrevolution (politisch: die Niederkämpfung einer neu entstehenden "Kapitalistenklasse" in China unterstützend. Moralisch: hohe Menschenopfer noch nicht vorwegsehen könnend und kulturell den Verlust an Kulturgütern).
Vom Sozialismus war Godard nie abgerückt, auch forderte er eine neue Kunst entgegen der repräsentativen der bisherigen "herrschenden Klassen".

Am Ende des Clips fühlt man sich zusammen mit Shelley Duvall aus "The Shining" nach vorne versetzt: sie zückt ein Messer gegen... (?)


https://linkswende.org/die-chinesin/L
https://www.jstor.org/stable/40547180
#5
UNBEKANNTE SEITEN VON KLASSIKERN / eXistenz (1999)
Letzter Beitrag von Filmgärtner - Heute um 10:19
Zum 25. Jahrestag ein Rückblick auf
Cronenbergs Werk, das terminlich unglücklich zeitgleich mit "Matrix" in den Kinos erschien:

https://www.heise.de/hintergrund/David-Cronenbergs-eXistenZ-25-Jahre-seiner-Zeit-voraus-9700252.html
#6
Ein Meisterwerk der makabren Komik von Woody Allen (zwei Einstellungen erinnern auch an 'Cocktail für eine Leiche").

https://www.stern.de/kultur/woody-allens-letzter-film---ein-gluecksfall-34619636.html

Die Kamera-Arbeit von Vittorio Storaro geht auch wesentlich intelligenter und vorsichtiger mit Farbfiltern um als in Allens Film "Midnight in Paris" vor 12 Jahren.

Besuch von einem vorwiegend deutlich älteren Publikum (jedenfalls bei meiner Sichtung in der Passage in Hamburg).
#7
Über die Verpackung des Heimatfilms in historischen Erbauungsfilmen der DDR mit kollektiv-folklorostischen Ingredienzien stieß ich erst kürzlich.
Hier ist kritisch herauszufinden, ob zugunsten dieser Idylle der Film-auteur unterdrückt wurde in Ost und West?

Es gibt die Auffassung, das frühere Unterhaltungskino der Bundesrepublik Deutschland habe "restaurative" Strömungen in sich aufgenommen. Es gebe eine Kontinuität inhaltlicher, technischer oder künstlerischer Eigenheiten zum Unterhaltungsfilm vor 1945 (es gibt den NS-Film und es gibt den BRD-Film und den DDR-Film). Diese Auffassungen sind bereits vor Jahrzehnten vertreten worden und waren selbst zur Zeit der Regentschaft von Bundeskanzler Adenauer durch die Meinungsfreiheit und das Grundgesetz gedeckt.

Gibt es wirklich keinerlei Kontinuitäten vor/nach 1945? Sind Komödien und Lustspiele ausnahmslos harmlos? Meines Erachtems wäre es verwunderlich gewesen, wenn es nach 1945 zu einer totalen Abkehr von "Heimat und Scholle" gekommen wäre.

Andere Filmwissenschaftler (auch ein früherer Prof. von mir) glauben nicht an die restaurative Zwecksetzung:

Kaum ein Filmgenre ist so mit der deutschen Filmindustrie der 1950er Jahre verbunden wie der Heimatfilm.

Nach dem Überraschungserfolg des Schwarzwaldmädels (1950) entstand eine bis in die 1960er fortgesetzte Schwemme von Filmen, die ihrerzeit manchmal große Publikumserfolge waren und die manchmal bis heute lebendig geblieben sind (man fenke an die Filme um die Kaiserin ,,Sissi" oder auch die Schleswig-Holstein-Epen auf dem ,,Immenhof").

Oft ist den Filmen eine restaurative Tendenz zugeschrieben worden, ein Festhalten an Lebensformen rines bäuerlichen Deutschland, das so gar nichtit der Realität der 1950er zusammengehen mochte.

Und es wurde eine grundlegende eskapistische Tendenz erkannt, die vom Nachdenken über die noch so nahe Nazi-Vergangenheit abgelenkt habe. Es bleibt Aufgabe der Forschung, diese Urteile nachzuzeichnen und ihnen die These entgegenzuhalten, dass der Heimatfilm gerade nicht restaurativ orientiert gewesen sei, sondern die verschiedenen Modernisierungen, die die BRD in den 1950ern zu einer kapitalistischen Industriegesellschaft entwickelten, in manchmal süffisanter Art thematisiert habe. Junge gegen

Alte, Städte gegen Dörfer, Blasmusik gegen Schlager, das Reisen gegen das Bodenstämmige, Handarbeit gegen Maschineneinsatz, autoritäre gegen egalitäre Familienbeziehungen – es sind eine ganze Reihe von dramatischen Konflikten gewesen, die über den reinen Heimatfilm in die soziale und ökonomische Tealität der Bundesrepublik hinausweisen.


Aus: http://www1.uni-hamburg.de/Medien/berichte/arbeiten/0119_11.pdf

#8
Also bei uns im Land gab es Heimatfilme auch nur aus dem Westen.

Blau Blueht Der Enzian / Kinderarzt Doktor Froehlich / Intermezzo Im Schnee
#9
Mich würde mal interessieren, ob es dieses Genre überhaupt in der DDR gab.

In der Schule hatten wir, dass die Schwemme der BRD-Heimatfilme darauf zurückzuführen ist, dass man sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzen und eine heile Welt haben wollte.