Die Sache mit dem Streaming, welches bereits während der Corona-Zeit zusammen mit einigen Filmverleihern solidarisch abgerechnet wurde, ist hernach nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Und könnte sich als Bumerang erweisen. Aber was gestern undenkbar noch war, ist heute schon Realität.
In der Entwicklung der Branche seit etwa 1957 (Ausruf des damaligen westdeutschen Hauptverbands der Filmtheater: "Keinen Meter Film ans Fernsehen!") bis heute, wurde der Kuchen immer weiter aufgeteilt. Nicht im Sinne einer gerechten Aufteilung der wichtigen Neustarts unter allen Marktteilnehmer, zu denen auch Clubkinos, gemeinnützig anerkannte Projekte, Kirchen, Jugend- und Altersheime, Nicht-DCI-Spieler, streamende Kulturbetriebe, traditionelle Filmbandspieler gehören würden), sondern im Sinne der Aufteilung zwischen Kino und "Ersatzmedien" (den mobilen Medien also und den Home-Cinema-Medien).
Auch im Sinne dessen, daß es keine heilige Regel mehr zu sein scheint, daß Filmtheatern als ersten ein geschütztes Erstaufführungsrecht über eine längere Zeitspanne zugesichert wird.
Die Aufteilung dieses Kuchens, bei der das Filmkino von seinem Kuchen etwas abgibt an Konkurrenzmedien, wird damit begründet, daß in der heutigen Epoche die Auswertungspannen für neu startende Kinofilm derart verkürzt seien, daß ein schneller oder paralleler Start der Filme auf Konkurrenzmedien unter bestimmten Bedingungen hinzunehmen sei.
Litten viele Kinos noch unter häufigen Sonderbedingungen großer Filmverleiher, etwa bei Disney-Filmen oder zuletzt auch bei Sonys "Spider Man - Home", boykottierten diese Filme oder gaben damit auch dem Nicht-Blockbuster-Film eine Chance, heißt es mittlerweile, man glaube an einvernehmliche Lösungen. Diese könnten darin bestehen, daß Filmstarts von bspw. 47% Mindestgarantie entlastet werden könnten, auf etwas 30% sänken, wenn Kinos einfach ihren Anspruch fallen ließen, über ein halbes Jahr auf Exklusivauswertung zu bestehen.
Konkret denkt man so: die meisten Filme seien nach mehr als drei Wochen kein Geschäft mehr, also spielte es kaum eine Rolle mehr, wenn sie aber der vierten Woche OnDemand gestreamt oder als DVD-Medium verkauft würden.
Diese Überlegung geht aus vom realen Tagesgeschäft und entbehrt einer gewissen Logik nicht. Ein Kurzsichtigkeit, der jedoch vehement die Erkenntnis gegenüberstehen sollte, daß auch in Zukunft Kinofilmen eine größere Entwicklungsspanne eingeräumt werden sollte, und daß auch auch im Wertebewußtsein des Cinéasten oder Konsumenten eine Verramschung der arteigenen Kinoproduktion mit ihrem gesamtem Verführungs- und Entführungspotential, ihre Bindung an den Akt der Aufführung im kinematographischen Raum, nun ein finaler Stoß versetzt wird.
Auch ökonomisch wird somit Film endgültig zum Substitutionsgut. Damit verfällt auch der Preis für seine Beschaffung, seinen Absatz und seinen Markenwert.
Streaming also der soeben im Kino gelaufenen Filme fördert m.E. die Rabatt- und Verramschungsmentalität: ich halte dies für eine ökonomische Unvernunft.
Natürlich kann der Verlust erweiterter Prolongationszeiten mittlerweile durch den rasanten Anstieg des Filmtitelangebots kompensiert werden, jedoch erkennt der Konsument darin ein Muster: es gibt für ihn nicht länger superattraktive und exklusive Filme, sondern er steht einer recht beliebigen Auswahl an kaum überschaubaren Titel gegenüber, welchen fortan eines gemeinsam ist: sie alle sind bereits nach wenigen Wochen online zu haben.
Und da der alte Mythos großer Premieren sich vom Bewußtsein des Konsumenten offenbar verabschiedet hat, fällt es ihm um so leichter, "einfach abzuwarten, bis der Film sich bequem hochladen" läßt.
Es ist ja immer weniger der einzelne Eventtitel und die Exklusivität, die ihn prägt, sondern die breite Verfügbarkeit mit zeitgleich vielen Angeboten.
Der Abschluß also einer Entwicklung kündigt sich an, die zur Entwertung des Aufwandes des Akts der kinematographischen Aufführung an attraktiven Orten führen müßte.
Es ist daher auch zu erinnern, daß gerade der Programmchef der Yorck-Kino GmbH, G.K., noch vor wenigen Jahren sich vehement gegen diese unheilvolle Entwicklung äußerte.
Quasi über Nacht (oder ausgelöst von einem mittelgefährlichen Erkältungsvirus) sind somit die letzten Maßstäbe zusammengebrochen.