Kurzfilmtage Oberhausen

Begonnen von Filmgärtner, 11.04.24, 11:08

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Filmgärtner

11.04.24, 11:08 Letzte Bearbeitung: 11.04.24, 11:20 von Filmgärtner
Das renommierte Filmfestival wird von Lars Hendrik Gass geleitet.

Er äußert sich nun zu Angriffen auf das Festival in Folge seiner Solidaritätsbekundung zu Israel nach dem Überfall von Hamas-Aktivisten auf Juden im Herbst 2023:

https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/lars-henrik-gass-ueber-boykott-aufruf-mein-umfeld-hat-angst-und-das-soll-ja-erreicht-werden-92862464.html

Während der Interventionsmaßnahmen von Israel erklärten sich aber auch Filmschaffende und renommierte Journalisten solidarisch mit palästinensischen Opfern. Mit der Folge, jetzt vom Oberhausener Filmfestival nicht mehr eingeladen zu werden.

Dies sind möglicherweise aktivistische Spontanreaktionen unreifer Vorstellungen von einerseits jüdischem und andererseits palästinensischem Leben, die sich dann tagespolitisch aktuell auf Seiten des jeweiligen Opfers stellen, wodurch der andere zum Täter wird.

Da es aber seit Scheitern des Abkommens von Clinton, Arafat und Rabin zu keinen nennenswerten Friedensprozessen mehr im Nahen Osten kam, zerstört dies einerseits das dortige Zusammenleben, aber neuerdings auch die Fähigkeit zum Diskurs und Austausch innerhalb der kulturellen und intellektuellen Eliten in Deutschland.

Außerdem werden in der Bewertung der jüngsten Entwicklungen einerseits die Berlinale und andererseits das Oberhausener Kurzfilmfestival in die Position miteinander unvereinbarer politischer Lager manövriert ohne den geringsten Nutzen oder Aussicht auf ein Fortschreiten von Erkenntnisprozessen.


Filmgärtner

29.04.24, 18:35 #1 Letzte Bearbeitung: 29.04.24, 18:38 von Filmgärtner
Festivalleiter Gass erhält die Cramer-Medaille der Deutsch-israelischen Gesellschaft für seine Beharrlichkeit, einem Boykott-Aufruf einiger Filmemacher und Kulturträger, welche ihm ein zu einseitiges Israel-Bekenntnis vorwerfen, widerstanden zu haben.
Dabei wird die derzeitige Solidarisierung mit den Palästinensern als "Blase" bezeichnet, die doch immer wieder nur Antisemitismus zur Folge habe.

Die Argumentation ließe sich natürlich umdrehen, dass etwa eine Waffenlieferung an die Netanjahu-Regierung den Antisemitismus ebenfalls nicht abbaut, geschweige denn die Palästinenser zur Ruhe bringt.
Einigen Journalisten wiederum, welche sich verstärkt über das Leid in Gaza beklagten, von einem direkten Kriegsverbrechen sprachen, erhielten daraufhin keine vorauseilenden Einladungen der Oberhausener Festivalleitung mehr (sie können sich selbstverständlich als Journalisten noch immer akkreditieren, allerdings kostenpflichtig).

https://www.waz.de/staedte/oberhausen/article242209400/Israel-Konflikt-Hohe-Auszeichnung-fuer-Kurzfilmtage-Leiter.html

Filmgärtner

Eine eher konformistische Betrachtung von Rüdiger Suchsland,der zudem seinen Frankfurter Kritikerkollegen an den Pranger stellt:


https://www.telepolis.de/features/Der-neue-Kulturkampf-Oberhausen-konfrontiert-deutsche-Kulturszene-9704771.html

Apache Apache

Oberhausen Lichtburg

Man sollte dazu unbedingt dieses Kino hier besuchen da sehr anspruchsvoll und absolut passend zu diesen Kurzfilmtagen.


Filmgärtner

Heute um 14:30 #5 Letzte Bearbeitung: Heute um 14:45 von Filmgärtner
Letzens am 1. Mai eine Viva- Palästina-Demonstration analysiert (angekündigt ursprünglich als als "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration"), war die Demo-Stimmung so aufgeheizt, dass das Lebensrecht der jüdischen Bevölkerung Israels nicht ausreichend oder gar nicht erinnert wurde.
Das prangert Lars Henrik Gass an.

Seit den 70er Jahren prangert wiederum die politische Linke die Ausgrenzung der Palästinenser als  Drittes-Welt-Volk auf eigenem Territorium an, in erster Linie deswegen, weil doch die größte Macht der Welt (USA) nicht ausreichend auf ihren Verbündeten Israel einwirkte (wobei einem der Verdacht aufkam, die USA seien sogar an dauernhafter Unruhe interessiert, um ihren Militärstützpunkt zu halten?).

Die Gefahr eines linken Antisemitismus auf Seiten der Linken (auch bei einem selber) muss man versuchen, sich einzugestehen. Anderentags ist das Verhältnis zu Juden okay und bisweilen überdurchschnittlich gut, aber man ist nicht davor gefeit, einen Teil der Israelis ähnlich abzulehnen wie einen Teil der Iraner oder Saudis oder frühere alte weiße Männer in Südafrika (jene, die sich orthodox-repressiv und eben kriegslüstern zeigen).
Entgegen den Pressemeldungen hatte diese Demonstration (übrigens durch Neukölln ziehend, für Gass der antisemitische Tiegel der Republik) keine Sprechöre "From the River to the sea": Ein einziges Mal hörte ich seitwärts diesen Spruch, entfernt von einer Person aus einer Shisha Bar, die sowieso an keinen Demonstrationen teilnimmt, auffallend auch nicht an dieser (Typ "passiver Hasser").

Möglicherweise stehen die Auffassungen von Lars Henrik Gass in Nähe zu einem amerikanischen Politologen: https://taz.de/Historiker-Herf-ueber-Antisemitismus/!6005857/

Nach dessen Analyse ist es eine Schwäche der Linken, Israel historisch immer nur als Lakaien der USA betrachtet zu haben, wurde es doch eher von liberalsozialistischen Strömungen gegründet, anfangs auch von der Sowjetunion unterstützt und von den USA beargwöhnt.
Der Politologe sieht dennoch im derzeitigen Gaza-Krieg eine verhältnismäßige Reaktion, so schrecklich der Krieg auch sei.
Zuletzt gibt er doch den Palästinensern per se die Schuld, die ja bereits mit dem Großmufti von Jerusalem (dieser war Nazi-Sympathisant) anfänglichen Teilungsplänen gar nicht zugestimmt hätten, sondern sofort einen Krieg eröffnet hätten. In dem Israel Recht behalten habe. Das sei heute noch genauso.
Palästinenser hätten dann aber, wenn man diesen Text verinnerlicht, auch kein Grundrecht auf eigene Staatsgründung, falls sie fundamentalistisch seien - und genau dies halte ich für völkerrechtlich bedenklich.
Es wurde meines Erachtens ein begonnener Annäherungsprozess in noch stärkerem Maße von den israelischen Premiers Sharon und Netanjahu unterlaufen. "From the river to the sea" singen auf ihre Weise eben auch Israelis.

Aufgrund der deutschen Vergangenheit sollte man sich aber im Zweifelsfall immer auf Seiten jüdischer Menschen in Israel stellen, ist der Tenor der Bundesregierung und möglicherweise auch von Herrn Gass.
Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass  man sich nicht zugleich auf palästinensische Seiten stellen würde, da diese als potenzielle Fundamentalisten nicht staats- oder nicht zufriedensfähig sind.
Genau das empfinde ich als "westlich werteorientiertes", letztlich auch kolonialistisches Denken:
Es wird seit Jahrzehnten von Seiten des Westens mit zweierlei Maß gemessen, und das ist ohne Zukunft.

In die selbe Falle läuft m.E. auch Lars Henrik Gass.

Hätte er nur von Anfang an Streit oder auch Konfrontationen zugelassen, über deren anti-arabische oder antijüdische Inhalte dann inhaltlich gestritten wird!
Stattdessen hat man sich positioniert in einem Kriegsgeschehen, als sei es erst einmal allererstes Ziel, die Hamas zu beseitigen (so wie die einst expandierenden Nazis) - was m.E. von Anfang an illusorisch klang, zumal NSDAP und Hamas sehr unterschiedlich funktionierten: erstere fielen in andere Länder ein, unterstützt von einem industriell- militärischen Komplex, um die dortige Produktion und die Rohstoffe an sich zu reißen, dicht vor dem Endsieg stehend.
Von solchen "Erfolgen" oder industriellen Vernichtungssystemen kann bei der Hamas meines Erachtens nicht die Rede sein. Denn gäbe es eine Zweistaatenvereinbarung, würde sie sich wahrscheinlich von selbst auflösen.

Nun ist der couragierteste Artikel zur Oberhausener Problematik in der FR erschienen:

https://www.fr.de/kultur/tv-kino/cancel-culture-debatte-bei-kurzfilmtagen-oberhausen-das-gespenst-der-widerspruchsfreiheit-93047208.html?fbclid=IwZXh0bgNhZW0CMTEAAR181r7jpsPyK_65XMWYZLCT60AZGEzTHNJon_koEzPTYkhW9cRCKI7Bn4c_aem_AQSGGNJK-HJeusJvjASvKM3MsBkM8xY2XsQc14z45aZ3V0rLZusFwAzX4Bj1RyY8kZPBnKjQBJG8MJqrbkeN3Jnu

Und wird von Rüdiger Suchsland konfrontal angegangen:
https://www.telepolis.de/features/Der-neue-Kulturkampf-Oberhausen-konfrontiert-deutsche-Kulturszene-9704771.html