Die "Stadt in der Stadt", das sogenannte "Haus der Nationen", kurz Europacenter, war einmal für die "Frontstadtbewohner" die Oase des Glücks
(ein "Westberlin-Paradies"): zwar konnte Bauherr Karl-Heinz Pepper kein seiteres Theater mehr aufgrund der Konkurrenz zu "Theater und Komödie" am Kurfürstendamm integrieren - und das "Palace Hotel" fungierte wohl nur als schneller Ersatz das ursprünglich in den Bau-Skizzen erkennbaren Theaters Aber seinem Projekt "Kleines Rockefeller Center", dem künftigen Europacenter, wurde seitens der Filmproduzenten MCS KG München und der amerikanischen Cinerama Incorporation seit 1963 ein alle Rahmen sprengendes Doppelkino hinzugefügt - ja, ganz demonstrativ ein Gegenpol zur Gediegenheit des "Zoo Palast"-Komplexes von 1957. In ihrer Art der bezwingenden "Sehmaschine" wären die beider Großkinos im Europacenter an Modernität noch heute unübertroffen: im "Royal Palast" befand sich laut
Guiness-Buch der Rekorde die größte Panorama-Bildwand der Erde - ein tiefer Leinwandbogen wölbte sich wie ein Horizont dem Gaste entgegen. Und ich im "City im Europacenter" sorgte eine kubistische Akustikdecke für höchste Konzertsaal-Ansprüche.
Neben den Filmfestspielen folgten Premieren kolossaler Schauspektakel auf
70mm-Filmmaterial: DOKTOR SCHIWAGO (166 Wochen Laufzeit), 2001: ODYSSEE IM
WELTRAUM (der Jahrestag der Weltpremiere, Washington D.C., fällt ebenfalls auf den heutigen 2. April),
DIE TOLLKÜHNEN MÄNNER IN IHREN FLIEGENDEN KISTEN, THE SOUND OF MUSIC, KRIEG DER STERNE,
ALIEN, BLADE RUNNER oder INDIANA JONES UND DER TEMPEL DES TODES.
Für SCHIWAGO reisten westdeutsche Besuchergruppen per Bus an.
Im Center-Inneren residierte dagegen eine 1000 qm grosse Eisbahn für ganz
Berlin. Auf dem I-Punkt thronte das Europa-Planetarium und eine begehbare
Aussichtsplattform. Im Anbau de Multivisions-Schau zur Geschichte
Berlins. Und im Hochhaus befanden sich Büros der Filmfestspiele und der
Berliner Festspiele GmbH.
Zum 50. Jahrestag ist der (teils unvermietete?) Flachbau des Europacenter
durch ein Banner des japanischen Elektronikriesen Samsung verhüllt: ein 50
Meter breites Smartphone entführt uns zu anderen Wahrzeichen der Moderne.
Am Fundament des gewaltigen Royal Palast- und City-Kinos spottbillig nun zu haben: 10 000 Breitfilmkonserven auf DVD, dazu Waschmaschinen, iPhones und USB-Sticks in einem Saturn-Markt. Und an Stelle der Eisbahn
bestaunt man eine Art Tümpel.
Solche Ware, scheint einem, gibt es selbst in der Provinz besser und auch
reichhaltiger. Mit menschlicher Kultur hat es wenig gemein! Eher noch mit dem Einfall der Barbaren ins altehrwürdige Rom.
Wir versuchen im Kinomuseum Berlin e.V. viele Gerättypen, die Art der Bogenleinwand und auch die Filmklassiker aus ROYAL PALAST und des CITY IM EUROPACENTER reaktivieren und jenen in den 60er und 70er Jahren unvergleichlichen Erlebnissen nachspüren. Jeder ist herzlich eingeladen, mitzumachen oder das Projekt zu fördern.