Letzens am 1. Mai eine Viva- Palästina-Demonstration analysiert (angekündigt ursprünglich als als "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration"), war die Demo-Stimmung so aufgeheizt, dass das Lebensrecht der jüdischen Bevölkerung Israels nicht ausreichend oder gar nicht erinnert wurde.
Das prangert Lars Henrik Gass an.
Seit den 70er Jahren prangert wiederum die politische Linke die Ausgrenzung der Palästinenser als Drittes-Welt-Volk auf eigenem Territorium an, in erster Linie deswegen, weil doch die größte Macht der Welt (USA) nicht ausreichend auf ihren Verbündeten Israel einwirkte (wobei einem der Verdacht aufkam, die USA seien sogar an dauernhafter Unruhe interessiert, um ihren Militärstützpunkt zu halten?).
Die Gefahr eines linken Antisemitismus auf Seiten der Linken (auch bei einem selber) muss man versuchen, sich einzugestehen. Anderentags ist das Verhältnis zu Juden okay und bisweilen überdurchschnittlich gut, aber man ist nicht davor gefeit, einen Teil der Israelis ähnlich abzulehnen wie einen Teil der Iraner oder Saudis oder frühere alte weiße Männer in Südafrika (jene, die sich orthodox-repressiv und eben kriegslüstern zeigen).
Entgegen den Pressemeldungen hatte diese Demonstration (übrigens durch Neukölln ziehend, für Gass der antisemitische Tiegel der Republik) keine Sprechöre "From the River to the sea": Ein einziges Mal hörte ich seitwärts diesen Spruch, entfernt von einer Person aus einer Shisha Bar, die sowieso an keinen Demonstrationen teilnimmt, auffallend auch nicht an dieser (Typ "passiver Hasser").
Möglicherweise stehen die Auffassungen von Lars Henrik Gass in Nähe zu einem amerikanischen Politologen:
https://taz.de/Historiker-Herf-ueber-Antisemitismus/!6005857/Nach dessen Analyse ist es eine Schwäche der Linken, Israel historisch immer nur als Lakaien der USA betrachtet zu haben, wurde es doch eher von liberalsozialistischen Strömungen gegründet, anfangs auch von der Sowjetunion unterstützt und von den USA beargwöhnt.
Der Politologe sieht dennoch im derzeitigen Gaza-Krieg eine verhältnismäßige Reaktion, so schrecklich der Krieg auch sei.
Zuletzt gibt er doch den Palästinensern per se die Schuld, die ja bereits mit dem Großmufti von Jerusalem (dieser war Nazi-Sympathisant) anfänglichen Teilungsplänen gar nicht zugestimmt hätten, sondern sofort einen Krieg eröffnet hätten. In dem Israel Recht behalten habe. Das sei heute noch genauso.
Palästinenser hätten dann aber, wenn man diesen Text verinnerlicht, auch kein Grundrecht auf eigene Staatsgründung, falls sie fundamentalistisch seien - und genau dies halte ich für völkerrechtlich bedenklich.
Es wurde meines Erachtens ein begonnener Annäherungsprozess in noch stärkerem Maße von den israelischen Premiers Sharon und Netanjahu unterlaufen. "From the river to the sea" singen auf ihre Weise eben auch Israelis.
Aufgrund der deutschen Vergangenheit sollte man sich aber im Zweifelsfall immer auf Seiten jüdischer Menschen in Israel stellen, ist der Tenor der Bundesregierung und möglicherweise auch von Herrn Gass.
Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass man sich nicht zugleich auf palästinensische Seiten stellen würde, da diese als potenzielle Fundamentalisten nicht staats- oder nicht zufriedensfähig sind.
Genau das empfinde ich als "westlich werteorientiertes", letztlich auch kolonialistisches Denken:
Es wird seit Jahrzehnten von Seiten des Westens mit zweierlei Maß gemessen, und das ist ohne Zukunft.
In die selbe Falle läuft m.E. auch Lars Henrik Gass.
Hätte er nur von Anfang an Streit oder auch Konfrontationen zugelassen, über deren anti-arabische oder antijüdische Inhalte dann inhaltlich gestritten wird!
Stattdessen hat man sich positioniert in einem Kriegsgeschehen, als sei es erst einmal allererstes Ziel, die Hamas zu beseitigen (so wie die einst expandierenden Nazis) - was m.E. von Anfang an illusorisch klang, zumal NSDAP und Hamas sehr unterschiedlich funktionierten: erstere fielen in andere Länder ein, unterstützt von einem industriell- militärischen Komplex, um die dortige Produktion und die Rohstoffe an sich zu reißen, dicht vor dem Endsieg stehend.
Von solchen "Erfolgen" oder industriellen Vernichtungssystemen kann bei der Hamas meines Erachtens nicht die Rede sein. Denn gäbe es eine Zweistaatenvereinbarung, würde sie sich wahrscheinlich von selbst auflösen.
Nun ist der couragierteste Artikel zur Oberhausener Problematik in der FR erschienen:
https://www.fr.de/kultur/tv-kino/cancel-culture-debatte-bei-kurzfilmtagen-oberhausen-das-gespenst-der-widerspruchsfreiheit-93047208.html?fbclid=IwZXh0bgNhZW0CMTEAAR181r7jpsPyK_65XMWYZLCT60AZGEzTHNJon_koEzPTYkhW9cRCKI7Bn4c_aem_AQSGGNJK-HJeusJvjASvKM3MsBkM8xY2XsQc14z45aZ3V0rLZusFwAzX4Bj1RyY8kZPBnKjQBJG8MJqrbkeN3JnuUnd wird von Rüdiger Suchsland konfrontal angegangen:
https://www.telepolis.de/features/Der-neue-Kulturkampf-Oberhausen-konfrontiert-deutsche-Kulturszene-9704771.html