Zeitweilig wird darüber gemunkelt, das jedwede Art von Kino- und Filmprojektion sakrosankt zu sprechen sei und den Vortritt habe gegenüber jeglicher Fernsehdarbietung.
Schließlch sei CinemaScope die Wunderwaffe der Industrie gegen das aufkommende Fernsehen gewesen, und jegliches Projektion liege damit im Vorteil. Und dies trifft auf viele Kinos auch zu, jedoch nicht auf die Rezeption in den Heimkinomedien oder auf Flachbildschirm und auch in der Ausnutzung der Panels der digitalen Beamer in den Kinos: dort erweist sich das Scope-Format mit 2,35:1 als Nachteil.
Und bereits in den 1950er Jahren wurde durch Superscope oder Superscope 235 aus aus einem sphärisch gedrehten Film ein ge-fake-ter CinemaScope-Film für das Kino hergestellt, in dem das Aufnahmeformat einfach in der Höhe beschnitten wurde und dann auf ein anamorphotisches Interpositiv vergrößert wurde, durch Umkopierung.
Dieser Prozess und eine Mythisierung des Cinemascope- oder auch 70 mm-Breitbildes geht auch einher mit dem Film "The Abyss", der in den Kinos immer immerhin eine akzeptable Breitbild-Vorführung erfuhr, die nun als das Maß aller Dinge vermutet wird. Und eine Fernsehausstrahlung des Films könne damit auf keinen Fall mithalten.
Auf sehr gut kalibriertem UHD-Fernsehern wirken allerdings Super 35-Produktionen des James Cameron wie z.B. "T2" oder "Titanic" seit den jüngsten Transfers um Welten besser als damalige 35 mm-Filmkopien. Möglich wäre sogar, für die Fernsehverwertung das Format in der ursprünglichen Höhe wieder aufzufahren: Auf heutigen Flachbildschirmen im 16:9-Vollformat des Bildschirms, z.B. kann die 3D-Fassung von "Titanic" oder die frühere Laserdisc-Edition von "The Abyss" in dieser Variante gegenüber den amputierten Pseudo-Scope-Versionen der Kinofassungen sogar einen Vorteil erlangen.
Die sogenannte Super 35-Produktion "The Abyss" ist ohnedies auf 70 mm körniger als die vergleichbare Super 35 Produktion "Alien Nation" aus ungefähr demselben Zeitraum (zumal "Abyss" wie "Aliens" u.a. auf MovieCam mit Tonfenster und open gate gedreht wurde und daher noch weniger Negativfläche als 4-perf Super 35 aufweist, also nur über bedingte Auflösung verfügt).
Besonders kläglich sah "Abyss" seinerzeit auf 35 mm in Scope 2.35 aus, wegen der problematischen Dupkopierung zum anamorphotischen Intermedpositiv. Zudem wurde der Film von der Fox bei der Erstaufführung durch eine dem Regisseur aufgezwungene Schnittfassung verstümmelt.
Dennoch besaß die 70mm-Kopie eine ziemlich gute Bildqualität, und auch der Ton in Dolby-A-Magnetton imponiert. Einige stark körnige Szenen können daher auch auf gepushte Entwicklung unterbelichteter Szenen zurückzuführen sein, denn Highspeed-Materialien standen 1988/89 noch nicht zur Verfügung.
Bei einigen der Rückprojektionsszenen wurden letztlich für die Hintergründe sogar hochauflösende VistaVision-Kameras eingesetzt, während die im Computer animierten Wasserwesen m.W. zu den ersten Morphing-Szenen gehören, welche von Industrial Light and Magic gefertigt wurden, stets weich wirkten und noch nicht die Schärfe der vier Jahre später im "Terminator 2" erreichten Morphinsequenzen aufweisen.
(Die zehn Jahre zuvor erschienene 70 mm-Kopie von "Alien" fand ich dennoch insgesamt besser.)
Eine 70 mm Vorführung des Films findet am 16.11.22 im Kino Arsenal um 20 Uhr in Berlin statt.