THE BIG LOUD MOVIES (abgek.: BLAM)
Der Prototyp des (im kommerziellen System der Vor-STAR-WARS-Welt) in großem Maßstab arbeitenden Regisseurs, ist vermutlich David Lean. Um zu verstehen, wo wir uns befinden und was wir unterwegs aufgegeben haben, denken Sie an THE BRIDGE ON THE RIVER KWAI oder LAWRENCE OF ARABIA. Diese Filme haben einige ganz ordinäre, kommerzielle Absichten mit den Big Loud Movies (BLAMS) gemeinsam. Sie sind ganz offensichtlich in ihre eigene Technologie verliebt. Es sind laute und gewaltsame Monumentalfilme, die rigoros versuchen, die Dramatik auf Momente extremer physischer Gewalt zu reduzieren. (...) Aber Lean hat zwei Dinge beibehalten, die die meisten BLAMs - seit STAR WARS - unterdrückt, eliminiert oder überwunden haben: psychologische Komplexität und die Erfassung genauer sozialer und historischer Details. (...) Lean ist ein Gott für die heutigen BLAM-Hersteller. (...) Das ernste Action-Monumentalkino war etwas, dem Hollywood in den 60ern und 70ern verbunden blieb, in Projekten wie BEN-HUR und CLEOPATRA, in Projekten wie THE WILD BUNCH und schließlich in solchen Vietnam-Filmen wie Ciminos THE DEER HUNTER und APOCALYPSE NOW. (...) "2001: A SPACE ODYSSEY": (...) Erst einmal gibt es nicht einen einzigen Aspekt im BLAM, ob gut oder schlecht, der nicht wenigstens teilweise diesen Film als Ursprung hat. Zweitens ist Action alles in "2001".(...) Zu sagen, daß der Film die Liebe zur Technik in den Vordergrund stellt, die die Aufmerksamkeit des Publikums bannt und dabei jedes Interesse an einer erzählerischen Geschichte auslöscht, ist noch milde ausgedrückt. (...) Die Darsteller müssen die mörderische Arbeit einer super-begabten Maschien rückgägig machen, die von meschlichen Wesen nicht eben begeistert ist. Hört man da nicht die Hirnwindungen von Jim Cameron und Ridley Scott rotieren? (...) In Kubricks Augen sollte das Kino die Literatur völlig links liegen lassen, gänzlich mit dem rein Kinematographischen arbeiten (vielleicht sollte jeder große Revolutionär erst einmal ausarbeiten, wie die Perversion seiner Doktrin aussieht, bevor er sie vorträgt, selbst wenn er sie so brillant vorträgt wie Kubrick es tat). Kubrick hat damit zum Teil dazu beigetragen, eine kulturelle Entschuldigung für BLAMs zu artikulieren.
"Formel neu verpackt: Die Einschränkung der erzählerischen Komplexität": STAR WARS ist als Kette von Verfolgungsjagden angelegt. (...) Das BLAM hat die Verinnerlichung dieser Doktrin immer wieder belegt: eine Jagd, eine Explosion etc. Zu dem Zeitpunkt, als die beiden (lucas und SPielberg) RAIDERS drehten, hatten sie die Verfolgungsstruktur so verfeinert, daß sie daß sie zehn bis zwölf in den Film einbauen konnten (...) Der erste STAR WARS-Film ist meiner Meinung nach eine superbe Verfilmung eines Comic-Buches. Aber wie sehr wir es uns auch wünschen: "Beowulf", Wagners Ring, "The Waste Land" oder Stravinskys "Frühlingserwachen" ist es einfach nicht. (...) Als Raumschiffe auf der Leinwand auftauchten (...), applaudierte Lucas' erstes Publikum. Was das Erzählerische angeht, hatten sie keine Ahnung, weshalb sie applaudierten, aber sie waren hocherfreut. Ebenso gewagt war es von Spielberg, daß er die letzten 15 Minuten von CLOSE ENCOUNTERS Menschen Menschen beim Betrachten betrachteten. (...) Diese Fähigkeit, durch visuelle Sensationen alle Fragen nach Sinn und Wert zu beantworten, macht Lucas und Spielberg zu den Filmemachern, wie sie die folgende Regisseurs-Generation von BLAMs sein wollte. Kubricks Beispiel folgend, gewinnt man mit Nahrung für die Augen (manche sagen, es sei Zucker) die Aufmerksamkeit des Publikums. (...) Was Spielberg und Lucas auf immer ehren wird, ist, daß sie die ersten waren, die all diese Elemente mit einem so hohen Maß an persönlicher Überzeugung zusammenbrachten, etwas, da so vielen der folgenden Formelerzeugnisse fehlte. Lucas hat STAR WARS eine halbes Jahrzehnt den Studios angeboten, bevor er ihn mit einem sehr bescheidenen Budget machte. Spielberg stellte eine geheime Untersuchung an, wieviele Leute an UFOs glaubten, was ihn vermuten ließ, dies sei das kleinste Publikum, mit dem er rechnen könnte, um die Kosten für den Film zu rechtfertigen. Der Erfolg der Filme, der viel größer war als erwartet, hat auf ewig die entsprechende Unschuld und Authentizität verdrängt, mit denen sie gemacht wurden. Seit 1981 ist die Institutionalisierung des BLAM zügig fortgeschritten. Es hat die kreative Atmosphäre in Hollywood wiederbelebt und die Produktionsliste der größeren Studios geprägt und beinahe das europäische Kunstkino zerstört.
[Larry Gross, in "Sight & Sound". Übs.: Olga Pavlovic. 1996]
Bemerksnwerte Einsichten.