Anspruch und Widerspruch - so genannte Todd-AO-Festivals

Begonnen von Filmgärtner, 16.02.22, 10:15

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Filmgärtner

16.02.22, 10:15 Letzte Bearbeitung: 04.05.24, 10:29 von Filmgärtner
Seit drei Jahrzehnten währen die Diskussionen und Erzählungen unter Zeitzeugen, aber auch Sammlern und ehemaligen Kopierwerkfachleuten zum 70-Millimeter-Film, wobei neuerdings echt mutig wieder das Wort "Todd AO" in den Mund genommen wird.

Projektoren gibt es wohl immer noch genug, auch Kinos, die aus Marketinggründen dieses Sonderformat hin und wieder recht gerne zeigen wollen (unabhängig davon, wie schlecht die neuen Filmkopien sind, wie "unattraktiv" auch deren Fotografie ist).

Ganz grob geschätzt läßt sich vermuten, dass etwa die Hälfte etwa der ab 1956 gebauten DP70-Projektoren noch existiert (und irgendwie noch zum Laufen zu kriegen sind, ohne, dass der Film Schaden nimmt).

Ab 1967 wurde das Nachfolgemodell DP75 massiv in Umlauf gebracht.

Während der erfolgreichen "Hateful 8"-Kampagne wurden bei Boston Light & Sound die Reaktivierung von etwa 100 US-amerikanischen Projektoren vorangetrieben (zwei Dutzend dürften inzwischen neuerlich verschrottet worden sein).

Der etwas wunde Punkt: es fallen einem allenfalls vielleicht zwei Filmkopien weltweit ab, in denen ansatzweise die Attraktivität des Verfahrens, so wie es immersiv in den 60er Jahren erschien, noch erkennbar ist.

Wurden Anfang der 60er Jahre bereits flachere Todd-AO Bildwände gebaut, nähert rsich dies den zunehmend konventionell aufgenommenen Filmen (seit Super Panavision, also fast ohne "Bugeyes").

Im Multiplexen seit 1992  tauchten wieder stärker gebogene Bildwände auf. In Osteuropa stehen noch die älteren Solitäre aus den 70er Jahren in starke Anlehnung an das Todd AO-Vorbild.

Würde man heute Todd-AO-Festivals ausrufen, müssten ehrlicherweise alle Filme in 65mm (und eventuell zusätzlich mit alten Kameras oder speziellen Brennweiten und Optiken) aufgenommen sein und allesamt als Direktkopien angefertigt werden. Oder auf dem alten Eastman-Kaltprozessmaterial hergestellt sein. Nur dann stellt sich der ursprünglich gewollte "Anwesenheitseffekt" wieder her.

Diese Ansätze sind seit 1970 zunehmend auseinandergebrochen. Einerseits muss man sich bei sehr alten und gefadeten Kopien imaginär ausmalen, wie die Farben gewesen sind.
Andererseits, bei neueren Kopien seit 2020, muss man sich - ebenfalls imaginär - die richtigen Farben vorstellen, zusätzlich aber noch die "richtige" Schärfe vorstellen: eher schwierig kommunizierbar, und es wird auch nirgendwo seriös erklärt.

Freut man sich dann über eine größere gebogene Bildwand, wirken Filme mit heute veränderten Bildwinkeln und Schnitttechniken sehr unruhig und deplatziert.

In dubio res gilt: würden geeignete Todd AO-Kopien und -Filme existieren, von denen in der Neuzeit wieder, etwa seit dem DVD-Zeitalter, wo sie thematisiert werden, geschwärmt wird, würden sich noch einige geeignete Vorführstätten finden lassen.

Wichtig wäre vielleicht, dass nicht die Klagen über das Fehlen heute noch geeigneter Kinos & Projektoren das Hauptproblem sind, sondern die völlige Abwesenheit von geeigneten 70mm-Kopien. Sie existieren einfach nicht.

Filmgärtner

Aufgrund von heute nicht mehr in den Originalfarben abspielbarer authentischer Todd-AO-Kopien (zeitgemäßer Rotstich begann sichtbar bereits sieben Jahren nach der Erstaufführung), aber auch infolge der bei heutigen Neukopierungen zwischengeschalteten "Intermediates" (erforderlich bei sogenannten Umkopierungen, anstelle der verfahrensbedingten Direktkopierung vom Originalnegativ im Sinne des Verfahrens) kann und darf der Begriff "Todd AO-Vorführung" nicht länger angewandt werden.
Auch müßten die mit einer solchen Veranstaltung einhergehenden Bildwände entweder exakt den Krümmungsgrad der Magna Theaters/Todd AO-Vorschriften aufweisen respektive von dieser Firmengruppe selbst abgesegnet worden sein.

Zulässig ist allein noch der Terminus "70mm-Vorführung" - recht diffus und zu allgemein, aber doch wahrheitsgemäß. Sich indessen mit anderen Federn zu schmücken, welche nicht gegeben sind, wäre unredlich.

Apache Apache

TODD-AO

Also bei uns im Land gab es nirgendwo solche Kinos und das nicht einmal in der Hauptstadt.

Filmgärtner

Es stand allenfalls in Zeitungsannoncen früher 70 mm Filme vermerkt, auf wenigen Filmplakaten und manchmal auch in den Schaukästen, um sich dann 1959 rar zu machen.
Vielleicht in einer Handvoll Theater weltweit als Neonleuchten-Anzeige unterhalb des Marquees.

Apache Apache

TODD-AO

Aber welche genauen Vorschriften mussten solche Kinos eigentlich noch einhalten ausser einer knallroten Saaleinrichtung und dieser streng genormten Panoramabildwand? Und aus welchem technischen Grund eigentlich diese knallrote Saaleinrichtung als Vorschrift?

Filmgärtner

Diese Fragen sollten auch einmal angegangen werden.
Bei "Todd AO" und auch sonstigen Projekten hatte ich nie gehört, daß rote Samtbespannung Vorschrift ist. Das 1958 mit Todd AO ausgerüstete Kino Delpi-Palast am Zoo hatte bis in die 1990er Jahre keine rote Wandbespannung. Und das auf das verkleinerte "Cinerama" (also Breitbildprojektion nur mit 1 Streifen auf gebogener Bildwand)N 1968 umgebaute Kino in der Karlsruher Marienstrasse eine gelbe Wandfarbe.
Rot gefällt mir nicht so gut, weil es sich überall eingebürgert hat. Mir gefällt das kalte Aquamarin des Royal Palast-Kinos in Berlin besser: wonach auch ein paar andere "70mm Cinerama"-Häuser sich richteten.

Eine Todd AO-Bildwand müßte zudem 120 Grad originär aufweisen, wenn man schon mit diesem Verfahren wirbt. Eine solche Bildwand existiert in Europa nicht mehr seit 2004/2020 (Berlin/Düsseldorf).

Apache Apache

RESIDENZ KOELN

Auch komplett in knallrot im Saal.

Filmgärtner

Von dort liegt mit die Annonce aus 1959 oder 1960 vor, dass die Bildwand von Vistarama-Typ ist.
Hatte mich vorher bereits mit Todd AO gespielt und geworben?