Meldung der AG Kino vom 27.11.2021:
"Die AG Kino – Gilde, der Verband der deutschen Filmkunsttheater, begrüßt die im Berliner Koalitionsvertrag ausdifferenzierte Befassung mit der Rolle Berlins als wichtigsten Film- und Kinostandort in Deutschland. Die Parteien bekennen sich in ihrem Koalitionsvertrag auch deutlich zum Erhalt der vielfältigen Kinolandschaft Berlins, indem sie insbesondere die Programmkinos dauerhaft sichern und stärken möchten."
Hintergrund ist der auf der Website der AG Kino nicht aufrufbare folgende Passus in der Koalitionsvereinbarung:
"Berlin ist Film- und Kinostadt Nummer Eins in Deutschland und bekennt sich zum
Beschluss ,,filmfreundliche Stadt". Die Koalition wird eine zentrale Anlaufstelle für
Drehgenehmigungen (,,one stop solution") einrichten. Die Förderung von Kinder-,
Dokumentar- und künstlerischem Film sowie Kurz- und Animationsfilmen erhält einen besonderen Stellenwert. Voraussetzung ist ein deutlich stärkeres Engagement des
Medienboards in diesem Bereich. Arbeitsrecht und Sozialstandards sowie die Kriterien
nachhaltiger Filmproduktion (,,Green Motion") müssen eingehalten werden. Die
Fördermittel transparent vergeben. Die Koalition wird sich für eine Aufstockung der Bundesmittel beim Deutschen Film- und Fernsehfonds (DFFF) einsetzen und den Berliner Anteil am Filmausfallfonds dem Pandemierisiko anpassen. Die Koalition wird die Förderung für Filmfestivals ausbauen, auch mit Blick auf eine faire Bezahlung.
Zudem wird die Vernetzung der Filmfestivalstädte ausgebaut. Die Koalition setzt sich beim Bund für weitere Berlinale-Sommerspecials ein. Um Berlins vielfältige Kinolandschaft zu erhalten, will die Koalition insbesondere die Programmkinos dauerhaft sichern und stärken. Die Deutsche Film- und Fernsehakademie (dffb) soll dauerhaft abgesichert werden."
Quelle:
https://www.berlin.de/rbmskzl/regierende-buergermeisterin/senat/koalitionsvertrag/, S. 101
Zunächst wird eine Unterscheidung getroffen, wonach die Programmkinos stärker unterstützt werden sollen.
Dies impliziert die Nichterwähnung der (dort so nicht bezeichneten sogenannten) "Nicht"-Programmkinos - hier stellt sich zunehmend die Frage nach einer Gattungs-Interpretation und Definition.
Die Arbeit vieler ortsansässiger Filmtheater besteht auch aus dem Kuratieren vernachlässigter, übersehener oder verdrängter Themengebiete. Einige Kinotätigkeiten werden sogar ehrenamtlich übernommen, neu entdeckte oder auch im Orchideen-Dasein entstandene, regelmäßige Filmreihen waren und sind allein aus Kinoumsätzen nicht refinanzierbar, bereits im Vorfeld müssen Förderanträge gestellt werden.
Das ist soweit essentiell, und es soll auch nicht darüber gemunkelt werden, wie ideal sich eine Gesellschaft zu entwickeln habe, in welcher sich Spartenprogramme von selbst tragen. Zumal es auch stets neue Sparten zu entdecken gibt, die noch keiner Etablierung unterliegen.
Umgekehrt müsste aber auch die Gattung der Nicht-Sparten-Kinos definiert werden: man bezeichnet sie nicht als Programmkinos, vielleicht haben sie auch kein Programm, vielleicht nur ein anderes Programm.
Zum anderen Programm gehören der lukrative Unterhaltungsfilm, Blockbuster-Filme, aber auch gehobene Arthaus Filme (mit best-sellers-Aussichten). Zum Programm diese anderen Filme gehört nicht selten ein erhebliches Produktionsbudget mit einer Vielzahl handwerklich, künstlerisch oder technisch hochqualifizierter Mitarbeiter, unbenommen der Tatsache, das viele Erfolgsfilme einem bestimmten wiederkehrenden Muster folgen, das Publikum lediglich affektiv zu unterhalten oder eine schlichte Traumwelt zu entführen.
Seit etwa drei Jahrzehnten finden sich aber die Bestandteile des sogenannten Mainstream-Films auch in traditionellen Programmkinos. Umgekehrt greifen sogenannte Mainstream Kinos noch neuen Programminhalten, bisweilen auch Spartenprogrammen, sind aber mehrheitlich eher Mitglied des HDF als der AG Kino (wobei sich auch hier die Mitgliedschaften mittlerweile mischen).
Hinsichtlich des Erhalts der Kinostandorte scheint sich in Zukunft aufgrund das Abwanderns jüngerer Besucherschichten und auch der Zunahme des streamens von Filmen sowie auch der Zunahme des Onlinehandels zuungunsten des Einzelhandels (auch als Folge der Corona-Einschränkungen) ein prekärer Zustand anzubahnen.
Galten früher Programmkinos als gefährdet, lässt sich aber auch aufgrund gut kuratierte Arbeit eine Zunahme an Besuchern verzeichnen. Während bei den Multiplex-Kinos ein leichter Rückgang verzeichnet wurde. Sehr bedrohlich seit Jahrzehnten ist die Situation der Land Kinos, die aber von der AG Kino ist Auge gefasst werden.
Für viele Multiplexe indessen wird in einem düsteren Szenario eine Schrumpfung oder sogar ein Rückbau prognostiziert.
Mithin handelt es sich aber auch um Veranstaltungsstätten, so sehr auch Innovationen und Transformationen zu begrüßen werden. Ein Wegfall dieser Stätten führt rein funktional aber auch zu einem Verlust an Begegnungsstätten in den dort ihr Fläche großangelegten Foyers für sehr viele und unterschiedliche Menschengruppen, welche fast zeitgleich auf unterschiedlichste Filme treffen können und interagieren.
Es scheint, als müsste die Frage nach der Zukunft des Kinos und dessen, was unterstützungs- und förderungsfähig ist, in wenigen Jahren noch einmal angepasst werden.