Karlsruher Todd-AO-Festivals

Begonnen von Filmgärtner, 06.10.22, 09:56

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Filmgärtner

06.10.22, 09:56 Letzte Bearbeitung: 09.09.23, 09:05 von DCI sr.
Eingangs muss festgehalten werden, dass die Palette der vom Todd AO-Verfahren ausgehenden oder abzweigenden 70 mm-Systeme später variierten, sodass der originale Todd-AO-Prozess (Aufnahme mit 30 Bildern pro Sekunde auf 65 mm-Negativ 5 Per., Direktkopierung ohne Zwischenschritte auf 70 mm print-film im Kodak-Kaltprozess, Auftragung von konventionellem 6-Kanal Magnetton ohne Rauschunterdrückung) ab 1959 aufgeweicht wurde bzw. ab 1970 durch 35 mm Blow ups aber auch durch neue print Materialien kaum noch erkennbarer.
Auch wurden immer weniger vollstereophon 5 Frontkanäle genutzt, ab 1977 Dolby-Rauschunterdrückungssysteme hinzugefügt und zwischen 1993 und 2001 die Auftragung der Magnettonpisten abgeschafft zugunsten separat laufender CDs (DTS mit Datenkompressionen und neuen Mischgewohnheiten).


Somit fungiert das Label "Todd AO" als Maskottchen eines übersteigerten Marketings, ohne die festgelegten und authentischen Vorgaben zu erfüllen.
Die Umbenennung in "70 mm Festival" wäre ehrlicher.


Sehr subjektiv sind auch die Bild- und Höreindrücke heutiger Besucher, bei welchen festzustellen ist, dass sie entweder nie praktisch mit der Filmbearbeitung in einem Filmkopierwerk zu tun hatten oder ihren geschmäckerischen Umschreibungen anstatt des Konjunktivs den Indikativ setzen.
Herz statt Hirn.

Was einem persönlich nicht gefällt, kann technisch aus Sicht der Postproduktion gesehen akkurat sein und den Prozesslinien entsprechen. Was man persönlich großartig findet (70 mm Neukopierungen der letzten zwei Jahrzehnte oder fotografische Eigenschaften etwa von Christopher Nolan-Filmen), kann leicht zum Placebo-Effekt oder zur Auto-Suggestion werden.
Enthusiasmus über die Filmstory anstatt alles Ansatzes an Bildanalyse.

An dieser Stelle einige Beispiele aus einem Forum, in dem die Begrifflichkeiten und Zuschreibungen vollends durcheinander fallen.
Kursiviert angeführt sind die Zitate und im Anschluss folgt meine Kommentierung:


macplanet:
(...) großartigen Kopien von (...) "Spartacus" (...)


Wie soll eine solche Kopie von "Spartacus" (seit der 65mm-Neufassung von 1991) noch möglich sein?

Der Teilnehmer lobt den Film, aber erkennt nicht jene Dup-Fassung von 1991. Diese beruht auf den Kompromissen der Umkopierung und erreicht nicht den Standard der Direktkopierung der Premierenfassung. Sie ist aber farblich und von der Soundmischung her noch immer ansehnlich und enthält einige herausgeschnittene Takes, die 1991 wieder eingefügt wurden.


@Filmempire [zu der digitalisierten Version von "The wonderful world of the Brothers Grimm"]

"Das Resultat SUPER, so hat Cinerama damals nicht ausgesehen. Keine Nahtstellen, ein homogenes Bild ohne wackelnden Trennlinien usw. Nur im Ton gab es wie auf der Bluray Disc keine 7.1 Mischung wie 1962 zwar dmals ohne Subbass also .1

von 7 Tonspuren auf 35mm Cordband wiedergegeben"


Die drei Streifen/Panele waren allerdings (in der original 3-streifigen Filmprojektion in West Germany 1964) bereits gleichmäßiger als bei "How the west was won", das Gesamtergebnis klar ersichtlich besser als die der vorherigen Cinerama-Filme.

Die Bildschärfe ist im originalen analogen Projektionsverfahren ohnehin nicht zu toppen, auch nicht durch eine digitalisierte Version.

Der deutsch-synchronisierte Ton war 1964 ebenfalls besser als der englische Originalton in der jetzt digitalisierten Version erhalten ist, obwohl der Vergleich nur punktuell möglich ist.

Ansonsten ist in der neuen digitalisierten Version auch einiges verbessert worden, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass dies im Grading alleine eine Person gestemmt haben soll. Sie ist jedoch um drei Punkte zu rot.


"Airport" endlich mit 6-Kanal Magnettonmischung."


Zwar  DATASAT, könnte aber ähnlich oder nahezu identisch zur amerikanischen Magnettonmischung sein (ich weiß es nicht, kenne die englischsprachige 6-Kanal-Magnetton-Kopie nicht, lediglich die deutsche monaurale 70mm-Fassung.)


"Wonder Woman im ersten Weltkrieg aktiv. Ein sehr scharfes Bild aus dem Computer"


Das wundert mich. Haben den Film in einer anderen Stadt auf 70 mm gesehen: mittelmäßige Schärfe und farblich schlechter und unausgeglichener als das Digisat. Die Live Action-Szenen wurden allerdings in 35 mm gedreht.

Erfreulich ist aber, dass die Altfilme "Exodus" und "Herkules" trotz eines colorfadings beachtet werden, denn in ihnen erkennt man Qualitäten, welche Filme in späteren Dekaden nicht mehr hatten. Denn zwischen der Fähigkeit, innovative Drehbücher zu schreiben, wie Nolan und Anderson, und andererseits der Intuition und dem Einfühlungsvermögen, in das Filmmaterial sinnvolle und sichtbare Detail einzuschreiben, liegen Welten: Es gibt weder eine filmwissenschaftliche noch eine filmtechnische Begründung, warum diese beiden Regisseure ausgerechnet auf das Breitfilmformat angewiesen sein wollen. Denn die Ergebnisse müssen als grotesk erachtet werden.


@claus cremers:

"Hoffentlich erscheint diese neue Fassung von Airport irgendwann auf Disc."



Die existierende Blu Ray Disc-Version hat eigentlich eine recht gute Bild- und Tonqualität, obwohl sie lediglich vom anamorphotiscben 35mm-Intermed-Negativ gefertigt wurde.

Da die Fotokem-Kopien nun den bekannten Blau-Grünstich haben, vor allen Dingen in den weißen Flächen, was auch zuletzt bei der Neukopierung von "Airport" beobachtet wurde, darf man bei der Home Cinema-Verwertung generell nicht eine Theaterkopie transferieren (anderenfalls passiert ein Unglück wie mit "Flying Clipper" nun zu erleben war, als ein völliger Unkenntnis hinsichtlich standardwidriger Abtastungen ein Desaster folgte: man hatte nicht auf ein Interpositiv oder ein Original negativ zurückgegriffen, sondern lediglich die missratene Theaterkopie gescannt):
Nach einem Scan würde eine komplette neue und sehr teure Lichtbestimmung erforderlich sein, und die Werte für die jetzige 70 mm-Theaterkopie haben in diesem Prozess keine Bedeutung.

[Die kursivierten Abschnitte wurden zitiert aus: https://www.filmvorfuehrer.de/topic/2421-70mm-event-in-karlsruhe/page/104/#comment-373733 ]

Apache Apache

Zitat von: DCI sr. am 06.10.22, 09:56Die existierende Blu Ray Disc-Version hat eigentlich ein recht gutes Bild.

Leider viel zu blau vom Bild. Gut sichtbar am Schnee direkt zum Anfang des Films. Bei dieser Fassung sollte man die Farbtemperatur unbedingt auf warm einstellen am Consumerbeamer. Ich will diese neue Fassung auf Disc trotz Grünstich.

Apache Apache

Zitate aus dem anderen Forum welche man dort lesen kann bringen hier recht wenig also diesen Thread dann besser komplett entfernen aus dieser Rubrik.

Filmgärtner

12.09.23, 17:10 #3 Letzte Bearbeitung: 12.09.23, 17:30 von DCI sr.
Das karlsruher Festival (Schauburg in der Marienstraße) hat mittlerweile sein Programm veröffentlicht.

In Kommentaren im Internet schwärmen noch ältere Stammgäste von "Ben Hur"-Erstaufführungen.

Warum spielt diesen 70mm-Titel keiner mehr? Dies darf im Konnex der 70 mm-Repertoirepflege eigentlich als Katastrophe apostrophiert werden.

https://www.in70mm.com/news/2014/ben_hur/de/index.htm


Mittlerweile werden - unkritisiert - sogenannte Duplikat-Kopien (dritte/sonstige Generation/ Schärfeverlust/ausbelichtete prints/in unstimmigen Farben usw.) von außerdem schlecht fotografierten Filmen vom Publikum und vor allem von Festivalbetreibern akzeptiert und gefeiert.
"Todd AO" oder "The Window of the World" als Königsdisziplin - was war das doch gleich noch mal?
Es waren völlig andere Filme, als die, die gezeigt werden.

"70mm" indessen hat überlebt. Durch Marketingkampagnen der Projektionisten. The Show Must Go On.

Mit zynischem Ergebnis.

Man tut sich das nicht länger an, zumal Einigen wohl bekannt ist, wie Todd-AO-Filme sich einst anhörten oder aussahen. Aber Jene, die über nähere Kenntnis verfügen, gehen nicht mehr auf derartige Festivals.

Das karlsruher Programm bietet zwar einige neuere Titel, zementiert aber dabei die Abkehr vom eigentlichen Anspruch von " Todd AO" oder mit was sonst geworben wird: Dup-Kopien, 35 mm blowups oder ausbelichtete Filmkopien:
FUNNY GIRL, TOD AUF DEM NIL, AGENTEN STERBEN EINSAM, ABYSS, NOPE, OPPENHEIMER, INTERSTELLAR, DER BÄR, BOOGIE NIGHTS.

Apache Apache

Where Eagles Dare / The Abyss / Le Ours

Wirklich interessant und einen Besuch wert sind nur folgende drei Filmtitel. Agenten Sterben Einsam und Abyss bieten eine geniale deutsche Tonmischung. Heute beide Filme gesehen auf meiner privaten Tonanlage. Man sollte dort beim Festival unbedingt zu den vorhandenen drei Frontlautsprecher noch zwei Subwoofer aufstellen denn ohne wuchtigen Bass haben diese beiden Filme leider absolut keine Wirkung. Oder wenigstens den Bass etwas anheben zu diesen recht schrillen Lautsprecher.

Filmgärtner

Alcons Audio ist nicht schrill. Möglicherweise aber fehlten die originalen Einmessstreifen für die 70 mm Magnetton-Filme: dann kann man nur noch nach Gehör vorgehen.

Apache Apache

Dort im Saal ist der Ton allgemein nicht druckvoll egal ob digitale oder analoge Filmprojektion. Und ich bestehe ganz streng auf diese Lautsprechermarke bei Filmton. ( JBL )

Apache Apache

Fife Frontspeakers

Warum beweist uns die Schauburg das nicht mit einem aktuellen Bild?

Filmgärtner

Einen Beweis erwarte ich schon deswegen nicht, weil ja trotz des Prädikats "Todd A0"-Filme dann leider kein einziger Film in Todd AO gezeigt wird ("Oklahoma","Porgy and Bess", "Can Can" u.a. - die dort voraussichtlich auch nie laufen werden).
Interessiert scheinbar niemanden...

Apache Apache

Fife Frontspeakers

Themenersteller vom bewegten Mann behauptet das ebenfalls dort in seinem Thread. Ich besuche dort auch nicht jeden Film bei diesen Festivals. Bestehe dort auch das siebziger Filmformat in Bild und Ton zu erleben jedoch nicht betrauern aufgrund eines rotstichigen toten Bildes. Es ist manchmal schon recht deprimierend was dort so abgeht mit diesen ewig kaputten Filmkopien. Wie kann man nur so herzlos sein und sich diese roten toten Filme noch ansehen dort auf der Bildwand. Da vergeht ja einem regelrecht die pure Freude an der gesamten Vorstellung. Man kennt solche Filme noch mit deren lebendigen Farben und beweint dann bei so einer Vorstellung dieses tote Bild. Vor allem ist die gesamte Wirkung des Films total kaputt durch fehlende Farben.

Apache Apache

Zitat von: DCI sr. am 16.09.23, 16:09Einen Beweis erwarte ich schon deswegen nicht, weil ja trotz des Prädikats "Todd A0"-Filme dann leider kein einziger Film in Todd AO gezeigt wird ("Oklahoma","Porgy and Bess", "Can Can" u.a. - die dort voraussichtlich auch nie laufen werden).

Von diesen Filmen gibt es doch ganz bestimmt keine einzige Kopie mehr auf dieser Welt.

Filmgärtner

Doch, in einigen Archiven liegen sie, und auch in unserem Archiv: und wir haben sie ja auch mehrmals auf ausländischen Festivals gezeigt.
Auch etliche Besucher aus Karlsruhe kamen zunehmend angereist.

Apache Apache

Zitat von: DCI sr. am 17.09.23, 00:47Auch etliche Besucher aus Karlsruhe kamen zunehmend angereist.

Leih ihm doch auch diese Filmkopien dort bei einem Festival dann zeigt man sie auf deinem Projektor. Zutrauen kann man dem Kino dort schon jede siebziger Filmkopie.

Filmgärtner

18.09.23, 03:02 #13 Letzte Bearbeitung: 18.09.23, 03:24 von DCI sr.
Zu welchem Zweck?

Liefen doch anderswo (Hertogenbosch, Sittges, Zlin, London, Bradford Varnsdorf, Berlin, Frankfurt, Oslo, Innsbruck, Krnov, Seattle, Mailand, Wien, Melzo, Paris...). Dort war ich zufrieden.

Jeder der die Festivals und Ankündigungen verfolgte, hatte also alle Möglichkeit, und das auch in Zukunft.

Wegen unwissenschaftlicher Veranstaltungsleitung und kommerzieller Ausrichtung, aber auch aus der Befürchtung vor Laufstreifen sehe ich hinsichtlich des vorgeschlagenen Kinos keinen Sinn.

Apache Apache

Das sind aber sehr weit entfernte Orte im direkten Vergleich zu Karlsruhe. Nicht jeder hat so viel Zeit und Geld um so weit zu reisen wegen eines Films. Frankfurt wo etwa dort in diesem Filmmuseum. Dort gleicht das Bild wohl eines Flachfernsehers.