Entstehung der Breitbildformate

Begonnen von Filmgärtner, 06.01.23, 01:29

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Filmgärtner

06.01.23, 01:29 Letzte Bearbeitung: 19.08.23, 13:49 von DCI sr.
Der mit dem Cinerama-Verfahren in USA ab 1952 startende Breitwand-Hype ließ ein knappes Jahr später CinemaScope als "Cinerama des kleinen Mannes" folgen.
Aber zwischen diesen Premieren versuchten noch andere Produktionsfirmen ihre im klassischen Normalformat gedrehten Filme durch Kaschierung des Kopf- und Fußraums des projizierten Bildes breiter als bisher anzubieten, um ihre bereits investierten Produktionsbudgets nicht durch den Eindruck von Rückständigkeit zu gefährden: dazu gehörten in USA SHANE, THUNDERBOLD aber auch die 3D Produktionen SANGAREE u.a. Sie werden Kaschbreitwand-Systeme benannt: das bisherige Format wird also verkleinert und kaschiert.

In Europa verschieben sich die Starttermine und Verfahren jedoch.

In Deutschland erscheint das dreistreifige Cinerama-Verfahren erst 1959 anstatt 1952, und das eigentlich später entwickelte dreistreifige Cinemiracle-System startete in Deutschland sogar ein Jahr vor Cinerama, das heißt 1958.

Nicht bestätigt ist, ob die in England erste Kaschbreitband-Vorführung
SANGAREE (1953, 3D Paravision) auch in Deutschland die erste gewesen ist, oder spekulierenderweise könnte vielleicht DER BRENNENDE PFEIL (12.2.1954, 3D, NaturalVision), TODESBUCHT IN LOUISIANA (31.12.1953) als Kaschbreitwand-Vorführung vermutet werden, weil auch diese Produktionen in USA als solche ausgewertet wurde.

Verbürgt ist zur Stunde lediglich EINE LIEBESGESCHICHTE in Kaschbreitwand-System "Garutso Plastorama" in 1:1.85 (welches aber eigentliche ein Aufnahmeverfahren war; Garutso Balanced Lens). Vorgeführt auch mit 4-Kanal Magnetton. Die EA war am 25.2.1954) als eine der ersten nachgewiesene. Breitbildvorführungen jenseits von CinemaScope in Deutschland. Zumindest ist diese als professionelle Kasch-Breitwand-Vorführung hinreichend propagiert und annonciert worden.
In den Ausführungen jedoch der Philips Kinotechnik wird bereits darauf hingewiesen, dass zuvor auch der Filmvorführer, oftmals sogar ein eigener Entscheidung, das Normalbild breiter projiziert hätte, also bereits vor Erscheinen von EINE LIEBESGESCHICHTE, einer Produktion, welche eigentlich doch eher als beeindruckendes, aber nicht nachhaltiged Formatkuriosum in die Geschichte einging.

Anhand von Kino-Tagesannoncen wie auch anhand von Verleiher-Annoncen muß hier noch mit Revisionen gerechnet werden.

Filmgärtner

18.08.23, 17:52 #1 Letzte Bearbeitung: 19.08.23, 13:44 von DCI sr.
"The Miracle of Todd AO" von 1955 als HD-Transfer vom 65mm-Negativ in einer vorverzerrten smilebox-version, die die curved screen Erfahrung bedingt simuliert.
Inhaltlich eine Wiederholung der Roller Coaster-Szenen in "This is Cinerama" und doch bedeutend ärmer an Schauplätzen:

https://www.youtube.com/watch?v=MU76gdjr-Dk

Filmgärtner

19.08.23, 13:41 #2 Letzte Bearbeitung: 19.08.23, 13:45 von DCI sr.
Ursprünge des Breitbildes sind ubiquitär und nahezu unüberschaubar.
Wie aber könnte man das "breitere Bild" am 35mm-Filmformat festmachen? Wann wurde das erste Mal abgewichen vom "Standard Aspect Ratio" (d.h. das "Normalformat" 1:1.37)?

Mehr durch Zufall - und technisch bedingt aufgrund des Aufnahmeverfahrens - ergab sich beim reichsdeutschen "Sterikon"-Verfahren der Zeiss-Ikon AG von 1937 - unfreiwillig also - das erste Mal ein breiteres Bild. Das nachwievor bestehende Normalformat enthielt nun zwei, um 90 Grad zur Filmlaufrichtung gedrehte - Teilbilder für das linke und das rechte Auge: ein Seitenverhältnis von immerhin bereits ca. 1:1.5 und wurde auch testweise in einem Hamburger Kino aufgeführt.

Erst 16 Jahre später finden sich in der Filmtheaterauswertung neuere Ansätze: das überbreite,. aber auf 3 Filmstreifen angewiesene "Cinerama"- und "Kinopanorama"-Format.
Auf dem konventionellen einstreifigen 35mm-Streifen schließlich durch eine Projektionsmaske in der Bildhöhre verminderte Normalformate, die dann auf längere Zeit hinaus für den Normalfilm die sog. "Breitwand"-Seitenverhältnisse 1:1.66 oder 1:1.85 bis heute zementierten.
In USA ist mit dem Film SHANE von 1953 der Beginn der kaschierten Filmbilder anzusetzen, in Westdeutschland ein dreiviertel Jahr später. Der 25. Februar 1954 erlebte die dt. 35mm-Kaschbreitwand-Premiere von "Eine Liebesgeschichte" (A.R.: 1.85:1, 4-Kanal Magnetton), vermarktet in "Plastorama".

Aber auch mit den zahlenmäßig bedeutend geringer auftretenden breiteren Filmformaten als 35mm, war seit jeher das Breitbild verknüpft (von IMAX ider Iwerks einmal abgesehen).
65 mm Magnifilm in USA ist hierbei erwähnenswert. Auch die Herstellung von "Ernemann II-Breitfilm"-Projektoren für USA und die Frage, ob sie wirklich im Ufa-Palast Valentinskamp aufgestellt wurden oder die Bühnenproportion nur zufällig eine Breitbildwiedergabe suggeriert, oder ein eventuell doch ein breiterer Bildwandrahmen vorauseilend eingebaut wurde, aber niemals ein breites Bild erlebte. Aber wir verlassen den Sektor von 35 mm- Film.

Filmgärtner

Unterhaltsame und mit einigen guten Dokumenten unterfütterte Abhandlung. Wenngleich wieder die europäische oder auch russische Breitfilmproduktion fehlt, als hätte es sie niemals gegeben.


Apache Apache

70MM

Wann und wer genau erfand dieses Bildformat?

TODD AO?

Filmgärtner


Filmgärtner

31.12.23, 01:34 #6 Letzte Bearbeitung: 31.12.23, 01:44 von Filmgärtner
VistaVision.
Film, der die erste Promotion-Kampagne zeigt.




Filmgärtner


Apache Apache

VistaVision

Gab es auch Kinos hier im Land welche dieses Bildformat damals zeigten oder nur in den Staaten?

Filmgärtner

10.06.24, 00:39 #9 Letzte Bearbeitung: 10.06.24, 00:44 von Filmgärtner
In Italien, England, USA.

*

SCHLOSS HUBERTUS (1954): seinem Grundcharakter nach mehr der Rubrik "plastischer Film" oder doch eher "Breitwand" zuzuordnen?

https://nicosiaefe.gov.cy/video/tr/movie/136180/schloss-hubertus

Filmgärtner

28.06.24, 02:35 #10 Letzte Bearbeitung: 28.06.24, 02:37 von Filmgärtner
Hitchcock und die Verwendung von VistaVision.
Bislang war mir nicht klar, den Regisseur dieses Format lediglich von der Paramount oktroyiert wurde, das alle prestigeträchtigen Produktionen zwischen 1954 und 1960  in die VistaVision-Schiene zu drücken suchte.

Aber die folgenden Interviews lassen durchscheinen, dass die weitere Verwendung des Formats durch Hitchcock, als er zu MGM wechselte und North by Northwest" drehte, seine persönliche Entscheidung war:

https://thedigitalbits.com/columns/history-legacy--showmanship/to-catch-a-thief-60th

Auch bei "The Birds' hoffte er noch auf dieses Format, aber die Filmcompany insistierte bereits darauf, dass die verbesserte Kodak-Negativemulsion ab 1963 völlig ausreichend sei für den konventionellen 35 mm Dreh.

Wiederentdeckt wurde das Format ja erst von John Dykstra während seiner Arbeiten für "Star Wars".

Apache Apache

The Birds VistaVision

Dieser ist einer seiner Filme passend genau zu diesem Bildformat welches er nicht genutzt hatte oder sogar noch besser in CinemaScope.

Filmgärtner

28.06.24, 10:06 #12 Letzte Bearbeitung: 28.06.24, 10:10 von Filmgärtner
Ganz richtig und wichtig.
Weil für die Trickarbeiten das grössere Aufnahmeformat (8 perf) fehlte, um die Qualitätsabfälle einigermaßen aneinander anzugleichen, stechen diese heute unangenehm heraus.

Aber 1963 war Schluss mit VistaVision: warum, das hätte ich auch gerne gewusst.

[Bei CinemaScope-Dreh aber hätte man dann für die Tricks ebenfalls VistaVision oder 65 mm benötigt, so wie später bei ILM]

Filmgärtner

06.07.24, 11:54 #13 Letzte Bearbeitung: 06.07.24, 11:59 von Filmgärtner
Polyvision

Abel Gance wird die erste Triptychon-Technik nachgesagt. Wie viel aber von dieser Präsentationstechnik erleben wir bei den neuesten Revivals?


Unglücklicherweise habe ich von den neuesten Vorführungen nur Fotos gesehen mit letterbox-Projektion, auch aus Bologna und Paris.

So war der Film aber niemals intendiert.

Vor 40 Jahren wurde er noch in 3-Streifen-Technik in 35 mm vorgeführt, unter anderem auch bei uns im Berliner Internationalen Kongresszentrum.
Dabei wurde die maximale Bildhöhe des Auditoriums genutzt. Das heißt: auch beim Wechsel vom Single strap zum street strip blieb die Bildhöhe identisch und der Vorhang rauschte auf auf etwa über 30 m Breite ähnlich dem späteren Cinerama.
Genau darin bestand der Überwältigungseffekt.

Es mutet an wie eine Katastrophe, dass wir heute nicht mehr über entsprechend breite Leinwände verfügen, das betrifft auch die sogenannten 70 mm Filmfestivals.
Sondern dass seit Einführung der digitalen Projektion auch die Leinwände der Kinos den Proportionen des Fernsehens angenähert wurden: nicht mehr breit oder gar gebogen, sondern ein Mischmasch-Container von 16 zu 9 bis 1:185.



Apache Apache

Bild ist leider nichts dort in diesem Kino ausser ein lebloses flaches Schachbrett.

Filmgärtner

06.07.24, 22:22 #15 Letzte Bearbeitung: 06.07.24, 22:26 von Filmgärtner
Ist eben so, wie es später im Heimkino aussieht.
Ein Rückschritt  gegenüber früheren Errungenschaften und eine Peinlichkeit ohnegleichen.

Vor gerade mal 12 Jahren hatte man es in Oakland noch richtig gemacht - so ähnlich hatte ich es vor 42 Jahren in Berlin auch gesehen.
Das Bild bitte im Bericht aufrufen, es lohnt sich.

https://www.thedrunkprojectionist.com/episode-7-napoleon

Filmgärtner

Zum gegenwärtigen Stand der 65 mm/70 mm Produktion einige Einlassungen von Johan Wolthuis:

https://britishcinematographer.co.uk/what-does-future-hold-for-65mm-filming-and-70mm-prints/


Filmgärtner

09.07.24, 02:53 #18 Letzte Bearbeitung: 09.07.24, 03:07 von Filmgärtner
Kurzbericht auf 3sat,
https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/napoleon-monumentales-filmkonzert-in-paris-sendung-vom-08-07-2024-100.html ,
der die Aufführung mit Dirigent Frank Strobel zeigt. Aber nicht darauf eingeht, was eigentlich restauriert wurde, zumal der Film bereits vor 40 Jahren von Kevin Brownlow und Robert Harris restauriert wurde.

https://freshairarchive.org/segments/reconstructing-napoleon

Ansonsten vereinfacht die Redakteurin stark, indem sie dem Film zuschreibt, der erste Breitwand-Film gewesen zu sein.
Noch vor 1927 gab es Panoramico, Widescope und Widesvision.