Aus dem anderen Thread die aufgeworfene Frage zur enttäuschenden Bildqualität der neuen 70mm-Kopien von "2001: A Space Odyssey":
Zitat von: Apache Apache am 20.11.25, 05:40Zitat von: Filmgärtner am 18.11.25, 10:34"Ich habe den besten Film der Welt im besten Format der Welt".
Und warum hat man den Film eigentlich bildlich sowie auch farblich so grausam versaut bei der neuen siebziger Kopie?
Die eiserne Doktrin der Roadshow-Filme, die (ohnehin aufgrund der wenigen als bedeutsam eingeschätzten nur in begrenzter Anzahl benötigten) Filmkopien stets direkt vom Originalnegativ direkt zu kopieren, wurde in den letzten Jahrzehnten wegen verschiedener Gründe nicht mehr durchgeführt.
Befinden sich dann in Filmen wie "2001" oder "Star Wars" aufgrund mit etlichen visual effects hergestellten Filme längere Abschnitte, die ohnehin über Intermediates in das Originalnegativ eingeführt wurden, ist das bereits der erste Generationenverlust (obwohl die Berichte seit American Cinematographer und deren Wiederkäuer etwa hinsichtlich "2001" das Gegenteil sagen: dass es nur nur "in camera"-Composits gegeben habe und keine Travelling mattes oder Intermediates).
Bei den also von Anfang an etwas grobkörnigeren Szenen mit den Weltraum-Modellen tritt nun nach einer Umkopierung ein weiterer Verlust auf, begleitet von erhöhter Körnigkeit: das, was wir heute sehen.
Die grundlegenden Schritte bis zur Anfertigung von Serienkopien bei den Massenkopien hinwiederum sind also:
Kameranegativ (Original Negative, OCN)
Interpositiv (IP)
Internegativ / Duplikatnegativ (IN / duplicate)
Release Print
Kennzeichnung der Generationen: 1. Gen = OCN, 2. Gen = IP, 3. Gen = IN etc.
Um die Verluste zu messen, treten physikalsche und chemikalische Funktionen in den Fokus;
- Modulation Transfer Function (MTF): wie viel Schärfe (Auflösung) geht pro Kopiervorgang verloren.
- Filmkorn (Grain) und optisches Kornverhalten.
- Kontrastumfang / Dichtekurven, Farbtreue.
- Chemische und optische Effizienz / Degradation in jedem Schritt.
Es gibt sowohl Messgrößen als auchempirische Werte
Zu den Werten für Generationenverlust, wenn man von 1. auf 3. oder 4. Generation geht. Hier sind keine genauen Prozentangaben pauschal mitteilbar, aber es ist unabstreitbar, dass z. B. Release Prints einer typischen Kopie mehrere Generationen entfernt sind und dadurch merklich Schärfe und Details verloren gehen. z. B.:
Würde man prozentuale Verlustschätzungen abstrakt mitteilen, ließe sich sagen:
Es gibt in dem Sinne keine Skalierung, die für alle Kopiervorgänge gilt, weil es stark abhängt von:
- Qualität der Filmmaterialien (Negativ, Interpositive, Intermediate)
Optiken, Belichtungs- und Entwicklungsprozess
- Anzahl der Generationen und wie ,,sauber" der Kopiervorgang ist (z. B. Kontaktkopie versus optische Kopie, Qualität der Linsen, Streuung, Staub etc.)
Dennoch kann man Schätzungen abgeben:
Von Kameranegativ zur 2. Generation (Interpositiv): vielleicht ≈ 5-15 % Verlust bei Auflösung und feinem Detail, wenn gearbeitet mit sehr den moderenen Intermediate-Materialien seit 1993 gearbeitet wurde.
Von 2. zur 3. Generation (zum Duplikatnegativ): weiterer Verlust, sagen wir nochmals 10-20 %, abhängig von Material und Technik.
Von 3. zur 4. Generation (Theaterkopie/Release Print): meist noch deutlicher sichtbar: Schärfeverlust, Kornvergrößerung, Farbsättigung reduziert, etc. Dieser Schritt könnte nochmals 15-30 % Einbuße bewirken.
Zusammengenommen könnte eine typische 4. Generation-Kopie gegenüber einer Direktkopie vom Originalnegativ 20-40 % oder mehr in effektiver wahrnehmbarer Qualität verloren haben, abhängig vom Kriterium (Auflösung, Schärfe, Korn, Farbe). Bei sehr hochwertigen Workflows evtl. etwas weniger.
Warum selbst ,,4K-Transfer" nicht gleichwertig ist
Selbst wenn man auf hohem Niveau einen Digital Intermediate (DI) oder Scan durchführt, und dann auf 4K/8K abriegelt / transferiert, bleiben Einschränkungen:
Der ursprüngliche Film kann Details besitzen, die oberhalb dessen liegen, was der Print oder das Scanverfahren aufnimmt: Die Negativoptik, Grain, Filmmaterial etc. setzen Grenzen.
Generationsverluste, welche aber bereits durch die Schritte zum IP und IN ergaben, sind irreversible Informationen, die nicht zurückgewonnen werden. Ein Scan kann nur das erfassen, was übrig ist. Nicht nur deshalb sollte man niemals Theaterkopien scannen.
Auch die Artefakte (z. B. Korn, Staub, chemische Unschärfe), welche durch Verarbeitung und alterndes Material (bei den Intermediates von "2001" zu vermuten) entstanden sind, können durch digitale Bearbeitung nur begrenzt korrigiert werden.
FotoKem, das Kopiewerk aus Burbank, das seit 25 Jahren m.W. mehr oder weniger nicht mehr imstande sind, farblich neutrale Filmkopien herzustellen (obwohl das jängste Beispiel, "One Battle after another" weniger schlimm ist als die Titel zuvor auf 70mm) krankt daher an Defiziten in der Farbentwicklung, die sich durch schwankende, auch unberechenbare Chemiereaktionen, durch Verwendung der Kit-Chemie offenbar auch aus China wie auch mangelnder Auslastung der Positiventwickler ergibt.