70mm-Qualitäten und Verwerfungen

Begonnen von Filmgärtner, 23.01.22, 17:40

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Filmgärtner

04.08.25, 00:27 #30 Letzte Bearbeitung: 04.08.25, 00:30 von Filmgärtner
"Tagessterne" - Дневные звёзды (UdSSR 1966), ist ein Meisterwerk der surrealen, russisch-symbolistischen Bildgestaltung, gedreht in Sovscope 70.
(Welchen ich das Glück hatte, in einer deutlich besseren 70mm Kopie zu sehen als dieser 35 mm Transfer offeriert):


Apache Apache

70MM https://www.imdb.com/de/title/tt0081967/technical/?ref_=tt_spec_sm

Film ist hier erstmals in einer jedoch leider nur CinemaScope digitalen besten Fassung.

Der Vierunddreissigste Express



Filmgärtner

Ah, das ist ja schon deutlich besser. Gott sei Dank.

Apache Apache


Filmgärtner

06.08.25, 13:54 #34 Letzte Bearbeitung: 06.08.25, 14:37 von Filmgärtner
Wieder ein leuchtendes Beispiel für den Niedergang.
Die so aufwendig und sensationell ausbelichtete 4k l-Version auf 35 mm überzeugte bereits kaum, abgesehen vom perfekten bildstand (über die Postproduktion ein seitenlanger Artikel im "American Cinematographer").

Wenige Jahre später noch einmal als 70 mm Kopie war gut gemeint.
Und wieder einmal typisch mintgrün im Orwocolor-Look (wogegen wann selbst die 35 mm Kopie bevorzugen könnte).

Über solche Fragen und Vergleiche fällt aber kein Sterbenswörtchen in der weltweiten Szene der 35 mm- und 70 mm-Enthusiasten, sondern devotes Schweigen und Dankbarkeit dafür obsiegt, dass überhaupt noch jemand eine Filmkopie zieht?

https://www.facebook.com/100064541930224/posts/pfbid02gSFRiQD71TaYHVrXmAYd3Nou2SPhcEvpHbZbzLh6GHuBHwLxZYmv5KQVZVTui6Wql/?app=fbl


Filmgärtner

20.08.25, 00:31 #35 Letzte Bearbeitung: 20.08.25, 00:39 von Filmgärtner
Nun scheint die unheimliche Begegnung in außerirdische Untiefen abgesunken zu sein, jedenfalls was den Ton angeht (und vom Bild war ohnehin nicht viel zu hoffen).

In der sonstigen Jubel-Community, die jede Filmrollenproduktion und Projektion hymnisiert, tauchen plötzlich kritische Kommentare auf.

Es geht um die Aufführung der 70mm Kopie von CLOSE ENCOUNTERS auf dem dortigen Breitfilm-Festival in der American Cinematheque im ägyptischen Theater.

https://www.facebook.com/100000424885945/posts/pfbid031eCYicP1erGq6YX83GJZhk4w68cXBsfHfKgWpYKv4JatfFo9G7kBpeLHjbT7YxZgl/?app=fbl

Der Kritiker berichtet auch, dass der ohnehin dünne analoge Ton sich nun nochmals verschlechtert habe.

Der Ton war einst hervorragend, sowohl in der Dolby A-Magnettonkopie, welche auf der Berlinale 1979 im Zoo Palast zu hören war und wenige Wochen später im selben Haus als auch in der deutsch-synchronisierten, konventionellen Magnetton-Kopie: auch diese hatte eine herausragende Dynamik, die damals beim Publikum nachhaltig ein bisschen ungeahntes Erlebnis verinnerlichte, eine ungeheure Power in den Bässen (beim konventionellen deutschen Ton noch ohne Subwoofer) transportierte und alles andere als dünn zu betrachten ist.

Nun fragt sich, was sie mit den Mischbändern 2025 angestellt haben? Wie diese auf den Desktops umgespielt und neu gemischt wurden zum DTS Codec, der überdies seit Jahrzehnten nicht mehr verändert wurde und ebenfalls negative Auswirkungen auf die Revolution des alten Magnettons ausübt?

Bis heute habe ich noch keine einzige 70 mm-Vorführung mit DTS Ton gehört, die mich überzeugt hätte.

Scheinbar sind die Leute in der Bildqualität weniger empfindlich, und so hört man auch nichts über die selbige: die übliche Betriebsblindheit in einer Gemeinde, deren Fanboys nicht gewillt sind, auch diesen Fragen auf den Grund zu gehen.

Fragt sich, was Herr Spielberg zu dieser neuen Version sagen würde? Aber dieser behauptete ja bereits 1988 bei der von ihm mitprotegierten Restaurationsfassung von LAWRENCE OF ARABIA, dieser Film habe sich noch nie so gut angehört und noch habe nie so gut ausgeschaut wie jetzt (die verschiedenen Dup-Umkopierungen und die restlichen Verwertungen aufgefundenener 4-Kanal Bänder für die 35 mm Fassung mit fehlender Halblinks- und Halbrechtsinformation nebst anschließend hinzugefügtem Hall - darüber hatte er schon damals enthusiastisch hinweggesehen?)


Filmgärtner

20.11.25, 18:51 #36 Letzte Bearbeitung: 20.11.25, 20:12 von Filmgärtner
Aus dem anderen Thread die aufgeworfene Frage zur enttäuschenden Bildqualität der neuen 70mm-Kopien von "2001: A Space Odyssey":

Zitat von: Apache Apache am 20.11.25, 05:40
Zitat von: Filmgärtner am 18.11.25, 10:34"Ich habe den besten Film der Welt im besten Format der Welt".

Und warum hat man den Film eigentlich bildlich sowie auch farblich so grausam versaut bei der neuen siebziger Kopie?

Die eiserne Doktrin der Roadshow-Filme, die (ohnehin aufgrund der wenigen als bedeutsam eingeschätzten nur in begrenzter Anzahl benötigten) Filmkopien stets direkt vom Originalnegativ direkt zu kopieren, wurde in den letzten Jahrzehnten wegen verschiedener Gründe nicht mehr durchgeführt.
Befinden sich dann in Filmen wie "2001" oder "Star Wars" aufgrund mit etlichen visual effects  hergestellten Filme längere Abschnitte, die ohnehin über Intermediates in das Originalnegativ eingeführt wurden, ist das bereits der erste Generationenverlust (obwohl die Berichte seit American Cinematographer und deren Wiederkäuer etwa hinsichtlich "2001" das Gegenteil sagen: dass es nur nur "in camera"-Composits gegeben habe und keine Travelling mattes oder Intermediates).
Bei den also von Anfang an etwas grobkörnigeren Szenen mit den Weltraum-Modellen tritt nun nach einer Umkopierung ein weiterer Verlust auf, begleitet von erhöhter Körnigkeit: das, was wir heute sehen.

Die grundlegenden Schritte bis zur Anfertigung von Serienkopien bei den Massenkopien hinwiederum sind also:


Kameranegativ (Original Negative, OCN)

Interpositiv (IP)

Internegativ / Duplikatnegativ (IN / duplicate)

Release Print

Kennzeichnung der Generationen: 1. Gen = OCN, 2. Gen = IP, 3. Gen = IN etc.

Um die Verluste zu messen, treten physikalsche und chemikalische Funktionen in den Fokus;

- Modulation Transfer Function (MTF): wie viel Schärfe (Auflösung) geht pro Kopiervorgang verloren.

- Filmkorn (Grain) und optisches Kornverhalten.

- Kontrastumfang / Dichtekurven, Farbtreue.

- Chemische und optische Effizienz / Degradation in jedem Schritt.

Es gibt sowohl Messgrößen als auchempirische Werte

Zu den Werten für Generationenverlust, wenn man von 1. auf 3. oder 4. Generation geht. Hier sind keine genauen Prozentangaben pauschal mitteilbar, aber es ist unabstreitbar, dass z. B. Release Prints einer typischen Kopie mehrere Generationen entfernt sind und dadurch merklich Schärfe und Details verloren gehen. z. B.:


Würde man prozentuale Verlustschätzungen abstrakt mitteilen, ließe sich sagen:
Es gibt in dem Sinne keine Skalierung, die für alle Kopiervorgänge gilt, weil es stark abhängt von:

- Qualität der Filmmaterialien (Negativ, Interpositive, Intermediate)
Optiken, Belichtungs- und Entwicklungsprozess
- Anzahl der Generationen und wie ,,sauber" der Kopiervorgang ist (z. B. Kontaktkopie versus optische Kopie, Qualität der Linsen, Streuung, Staub etc.)

Dennoch kann man Schätzungen abgeben:

Von Kameranegativ zur 2. Generation (Interpositiv): vielleicht ≈ 5-15 % Verlust bei Auflösung und feinem Detail, wenn gearbeitet mit sehr den moderenen Intermediate-Materialien seit 1993 gearbeitet wurde.

Von 2. zur 3. Generation (zum Duplikatnegativ): weiterer Verlust, sagen wir nochmals 10-20 %, abhängig von Material und Technik.

Von 3. zur 4. Generation (Theaterkopie/Release Print): meist noch deutlicher sichtbar: Schärfeverlust, Kornvergrößerung, Farbsättigung reduziert, etc. Dieser Schritt könnte nochmals 15-30 % Einbuße bewirken.

Zusammengenommen könnte eine typische 4. Generation-Kopie gegenüber einer Direktkopie vom Originalnegativ 20-40 % oder mehr in effektiver wahrnehmbarer Qualität verloren haben, abhängig vom Kriterium (Auflösung, Schärfe, Korn, Farbe). Bei sehr hochwertigen Workflows evtl. etwas weniger.

Warum selbst ,,4K-Transfer" nicht gleichwertig ist

Selbst wenn man auf hohem Niveau einen Digital Intermediate (DI) oder Scan durchführt, und dann auf 4K/8K abriegelt / transferiert, bleiben Einschränkungen:

Der ursprüngliche Film kann Details besitzen, die oberhalb dessen liegen, was der Print oder das Scanverfahren aufnimmt: Die Negativoptik, Grain, Filmmaterial etc. setzen Grenzen.

Generationsverluste, welche aber bereits durch die Schritte zum IP und IN ergaben, sind irreversible Informationen, die nicht zurückgewonnen werden. Ein Scan kann nur das erfassen, was übrig ist. Nicht nur deshalb sollte man niemals Theaterkopien scannen.

Auch die Artefakte (z. B. Korn, Staub, chemische Unschärfe), welche durch Verarbeitung und alterndes Material (bei den Intermediates von "2001" zu vermuten) entstanden sind, können durch digitale Bearbeitung nur begrenzt korrigiert werden.

FotoKem, das Kopiewerk aus Burbank, das seit 25 Jahren m.W. mehr oder weniger nicht mehr imstande sind, farblich neutrale Filmkopien herzustellen (obwohl das jängste Beispiel, "One Battle after another" weniger schlimm ist als die Titel zuvor auf 70mm) krankt daher an Defiziten in der Farbentwicklung, die sich durch schwankende, auch unberechenbare Chemiereaktionen, durch Verwendung der Kit-Chemie offenbar auch aus China wie auch mangelnder Auslastung der Positiventwickler ergibt.